Die Raffkes
Antwort nicht ab, sondern räusperte sich, als käme etwas Besonderes. »Erichs Methode war immer die gleiche. Alles, was man ihm vorsetzte, durchforstete er im Hinblick auf Unlogisches, nicht Erklärbares. Er hat sich mit Bennys Vater unterhalten. Und der fragte: Wo ist eigentlich Trudi? Erich hatte keine Ahnung von Trudi und der Vater klärte ihn auf. Trudi Sahm ist eine Kindergartenfreundin von Benny, aus Hamburg. Im Verlauf seines Erpressungsversuchs verzog sich Benny für rund zwei Monate nach Hamburg. Und er kehrte nicht allein nach Berlin zurück, sondern in Begleitung von Trudi. Drei Tage später war Benny bekanntlich tot. Und nun stellte sich Erich die große Frage: Wo ist eigentlich Trudi? Sie muss irgendwo hier sein, irgendwo unbeachtet zwischen vier Millionen Berlinern leben, verstehst du?«
Mann nickte. »Was ist mit den Fahndern?«
»Ich kann sie nicht einsetzen, denn offiziell gibt es keinen Fall Benny mehr.« Er grinste. »Und deshalb kriegst du jetzt inoffiziell den offiziellen Auftrag, diese junge Frau zu suchen! Benny hat sie irgendwo in Berlin untergebracht, bevor er loszog, um zu sterben. Ich kann dir nur einen Anhaltspunkt nennen, wo du die Suche beginnen kannst: die alte Wohnung von Benny in Moabit in der Osnabrücker Straße. Verdammte Hacke, ich hätte eher auf Erich hören sollen! Also, geh jetzt schlafen und mach dich dann auf die Socken.«
»Was ist morgen früh mit der Besprechung?«
»Das geht auch ohne dich. Sobald du die Frau hast, meldest du dich bei mir. Außerdem wäre es gut, wenn du herausfinden könntest, wo sich die Westernhage aufhält. Ihr Verschwinden kommt mir merkwürdig vor.«
»Na ja, vielleicht sie ja nur auf einer Weiterbildung oder so.«
Blum trank den Rest seines Whiskys und verzog sein Gesicht in reiner Ironie. »Ich sage dir mal was. Ich glaube inzwischen auch, dass einiges auf die Bankgesellschaft zukommt, dass da einige Veränderungen anstehen. Und wenn ausgerechnet zu so einem Zeitpunkt eine Vorstandsassistentin spurlos auf Reisen geht, dann werde ich verdammt hellhörig.«
»Ja, ich weiß«, murmelte Mann. Er war verunsichert und fühlte Angst.
SIEBTES KAPITEL
Als er den Salon im Grunewald betrat, sagte Tante Ichen, vornehm in hellblauer Seide gekleidet: »Deine Katharina hat hier angerufen, vier Mal, und ich konnte ihr auch nicht sagen, wo du bist!« »Tut mir Leid«, sagte er. »Sie ist so. Ich habe eine Bitte an dich.«
»Du willst die Festung einer älteren Verwandten einnehmen?«
»Ja«, lächelte er.
Dann begann er von Marion Westernhage zu erzählen. Er verschwieg jedes persönliche Detail, spielte den unnahbaren Staatsanwalt und sagte am Ende: »Als sie mich das letzte Mal anrief, heute gegen Nachmittag, hatte sie eindeutig Angst. Obwohl sie eigentlich ja nur eine Dienstreise machen sollte. Und nun sucht sie die Ziemann-Kommission, ich suche sie, wir brauchen sie dringend für mehrere Auskünfte, auch zu bestimmten Vorgängen in der Bankgesellschaft.«
»Nun mal langsam, mein Junge, und immer auf dem Teppich bleiben. Wie heißt sie? Und in welcher Weise soll ich dir helfen?«
»Sie heißt Marion Westernhage, warte, ich schreibe dir den Namen auf – so. Und wir würden gerne wissen, wo sie ist, wie wir sie erreichen können. Meinst du, du kannst da was in Erfahrung bringen? Du kennst doch die Leute von der Bankgesellschaft.«
»Vielleicht«, nickte Tante Ichen. »Und was machst du jetzt?«
»Ich muss gleich wieder los, ich such noch eine andere junge Frau.« Er hatte sich entschieden, mit der Suche nach Trudi sofort zu beginnen. Die Tageszeit war genau richtig für so ein Unterfangen, erfahrungsgemäß sammelten sich nun die Viertel zur Nacht. Die Osnabrücker Straße zu finden war kein Problem. Unten im Erdgeschoss des alten sechsstöckigen Wohnhauses befand sich ein verkommenes kleines Ladenlokal. Darin musste Benny gehaust haben. Das Licht war diffus. Mann versuchte etwas durch die großen verdreckten Scheiben zu erkennen. Er sah einen Tisch, auf dem eine Kerze stand. Dann einen alten, zerschlissenen Sessel, vielleicht von dunkelroter Farbe. Das war alles. Nein, eine Stehlampe stand da noch, ein uraltes Ding, reif für den Trödel. Wahrscheinlich war das so wie in der heimischen Kastanienallee: Man hatte ein Wohnzimmer zur Straße hin und schlief in dem dahinter liegenden Kabuff. Ob das wohl noch Bennys Möbel waren? Vielleicht war die Wohnung ja inzwischen auch neu vermietet worden. Mann fiel ein, dass er nicht einmal wusste, wie Benny ausgesehen
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