Die Raffkes
bis morgen früh dauert. Langsam arbeiten, richtig pingelig. Wo ist der Schlüssel?« Blum wirkte ein wenig angespannt, Mann fiel auf, dass er die Zigarette nicht rauchte, sondern paffte.
»Hier. Jetzt fällt mir ein – die Vorhängeschlösser, die waren geschlossen. Erna hat sie aufschließen müssen.«
Guido und Franz nahmen den Schlüssel und verschwanden die Kellertreppe hinunter. Mann schlug Blum vor, in Ziemanns Wohnung zu gehen. Sie setzten sich in die Küche.
»Was könnte denn deiner Meinung nach passiert sein?« Blum war ein hartnäckiger Frager.
»Ich kann dir nicht dienen. In der Nacht, als Erich sich erschossen hat, waren ziemlich viele Leute hier. Erna wurde betreut von einer Frau, die im ersten Stock wohnt. Dann reiste die Tochter an. Der Arzt war hier. Ach ja, und Erna war heute Morgen für ein paar Stunden in einer Klinik. So gesehen, kann es nicht schwer gewesen sein, unbemerkt in das Haus zu kommen, die Schlösser im Keller zu öffnen, die Aktenordner herauszutragen. Mithilfe eines Wäschekorbes dauert das nicht lang.«
Blum sah ihn an und nickte. Unvermittelt fragte er: »Gibt es hier was Trinkbares im Haus? Kognak oder so was?«
»Das weiß ich nicht, musst du selbst suchen.«
»Whisky!«, verkündete Blum kurz darauf. »Immerhin ein guter.« Er nahm zwei Gläser aus dem Schrank und goss ihnen ein.
»Was weißt du von diesem Archiv?«, fragte Mann.
»Das war sein ganz persönlicher Schatz, so viel steht fest! Das kleine Archiv war einem Außenstehenden nur schwer zugänglich. Wirklich umgehen damit konnte nur Erich, vielleicht noch seine Frau. Inzwischen habe ich ein schlechtes Gewissen, weil Erich wahrscheinlich Recht hatte. Wir andern haben ihn immer nur sanft verspottet, wir Arschlöcher. Jetzt sieht es so aus, als sei das kleine Archiv für den Filz dieser Stadt gefährlich geworden.«
»Und jemand hat es geklaut«, ergänzte Mann kühl. »Verdammt nochmal, Blum, was können wir tun?«
»Was hat er zu dir über die Bankenaffäre gesagt?«
»Dass die Fassade bröckelt. Er meinte, die Bankgesellschaft beginnt zusammenzubrechen.«
Blum nickte. »Seit heute Morgen ist bekannt, dass die Bank das Land Berlin mit rund zweiundzwanzig Milliarden Euro belasten wird. Tendenz steigend. Zweiundzwanzig Milliarden! Das musst du dir mal vorstellen! Das Land muss für die Sünden der Manager bürgen und eines Tages muss es bezahlen. Und da das Land eine solche Summe nicht stemmen kann, wird der Bund herhalten müssen. Damit wird das Ding Kanzlersache. Ein Wahnsinn! Und nun, wo die Bombe hochgegangen ist, werden die Ratten noch eben schnell von Bord gehen. Da bin ich mir sicher. Hat deine Spezialzeugin, die Westernhage, etwas über die Stimmung in der Bank gesagt?«
»Sie hat erzählt, dass es Gerüchte gibt, Dreher plane seinen Abgang.«
Blum musterte Mann mit stechenden dunklen Augen. »Hast du was dagegen, wenn ich mit ihr spreche?«
»Überhaupt nicht. Das wird aber trotzdem nicht gehen. Sie ist in Sachen Bankgesellschaft ein paar Tage verreist und komischerweise auch über ihr Handy nicht erreichbar.«
»Hm«, machte Blum. »Sollte uns das etwa nachdenklich machen?«
»Mich macht es nachdenklich. Aber was kann ich tun? Wie lange wird das hier dauern?«
»Wahrscheinlich die ganze Nacht«, sagte Blum. »So ein Scheiß!«, brach es plötzlich aus ihm heraus. »Wahrscheinlich werde ich es trotz des Einbruchs nicht durchbringen, dass Erichs Selbstmord angezweifelt wird! Und wir werden weiterhin nicht wegen des Verdachts auf Mord ermitteln können.«
»Was soll das heißen?«, fragte Mann irritiert.
»Der Generalstaatsanwalt und der Leiter Kapital waren schon immer der Meinung, dass an der ganzen Bankenaffäre eigentlich nichts dran sei. Bist du mit dem Fall Benny vertraut?«
Mann nippte an dem Whisky, er war warm und schmeckte ihm nicht. »Vor ein paar Tagen habe ich eine Welt betreten, die ich nie betreten wollte. Nun will ich sie mit einigermaßen sauberen Füßen wieder verlassen.«
»Du willst zurück zu deinen kriminellen Jugendlichen?«, fragte Blum.
»Ja. Will ich.«
Blum seufzte, griff in die Innentasche seines Jacketts und zog die postkartengroße Fotografie einer jungen Frau heraus. Er warf sie auf den Tisch, wo sie kreiselte und dann liegen blieb. »Weißt du, wer das ist?«
Es war das schlecht fotografierte Porträt einer etwa Dreißigjährigen, die vor einem lichtblauen Vorhang gequält in die Kamera lächelte. Das Gesicht war schmal und umrahmt von dunklen gewellten Haaren.
Blum wartete Manns
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