Die Raffkes
aufpassen, dass ihn niemand mit dem Material erwischt.«
»Deshalb hat er das Material, bevor er nach Hamburg flüchtete, am Flughafen Tegel in der Gepäckaufbewahrung abgegeben?«
In der Nähe hupte ein schwerer Lkw und sie sahen ihn wie einen Schatten auf der Schnellstraße vorbeischießen.
»Nein«, sagte Trudi. »So war das nicht.« Sie zitterte: »Mir ist kalt.«
»Ich lasse den Wagen an, dann wird’s gleich warm«, sagte Mann und startete den Motor.
»Hast du eine Zigarette?«
»Ja, klar. Da im Handschuhfach sind welche. Wie war das? Er hat das Material nicht in Tegel abgegeben?«
»Warum sollte er so was Dummes tun?«, fragte sie leicht aufgebracht. »Gepäckaufbewahrung! Die Fächer werden doch irgendwann geleert. Nein, den Teil, den er dem Anwalt gezeigt hatte, hat er mitgenommen und den Rest in seiner alten Wohnung in Moabit versteckt. Das war ja noch ein ganzer Rucksack voll. Der lag dann in einem stillgelegten Schornstein.«
Mann hatte nun Mühe, sich auf die nächsten Fragen zu konzentrieren. »Wie ging das in Hamburg denn weiter?«
»Eigentlich ganz gemütlich. Benny rief ein paarmal den Rechtsanwalt an, wann die Bank endlich zahlen wollte. Und der sagte immer: Halten Sie sich bereit, es kann nicht mehr lange dauern.«
Mann starrte geradeaus in das diffuse Licht, Nebel zog auf, der Regen hatte aufgehört. Leise sagte er: »Bis der Anwalt dann eines Tages tatsächlich sagte, es sei so weit, nicht wahr?« »Korrekt. Benny ließ sich die langen Haare abschneiden und blond färben und dann fuhren wir von Hamburg nach Berlin.«
»Mit dem Material?«
»Klar. Ich trug das dann immer. Benny sagte: Falls mich jemand erkennt und auf mich zukommt, tun wir so, als hätten wir nichts miteinander zu tun. Du nimmst das Zeug und gehst in Moabit zu einer Wirtin, die Gerti heißt. Die weiß schon, wie sie dir helfen kann.«
»Hattet ihr ein Auto?«
»Nein, wir haben den Zug genommen. Er ist ja auch mit dem Zug nach Hamburg gekommen.«
Der Verkehr auf der Schnellstraße wurde immer dichter, der Lärm konzentrierter.
»Wie ging es weiter?«
»Benny telefonierte mit jemandem und anschließend sagte er, wir könnten in die Wohnung hier. Also sind wir hierher.«
»Mit dem Material aus Hamburg?«
»Mit dem Material aus Hamburg, korrekt. Wir sind sofort hierher. Mit dem Bus. Dann hat Benny gesagt, er fährt noch schnell nach Moabit in seine alte Wohnung, um den Rucksack mit den anderen Sachen zu holen. Tatsächlich war er so nach drei, vier Stunden wieder zurück. Dann hat er telefoniert.«
»Mit wem? Das ist jetzt wichtig!«
»Mit dem Anwalt natürlich. Er hat ihm gesagt, er wäre jetzt zur Übergabe bereit. Aber nur gegen das Geld.«
»Was hat der Anwalt geantwortet?«
»Das wäre okay, die Bank würde zahlen.« »Wie sollte das ablaufen?«
»Benny wollte sich wieder melden. Er ist immer extra zwei Stationen mit dem Bus gefahren, um dann zu telefonieren. Von einer Öffentlichen aus. Damit man ihn nicht über seine Handys finden konnte. Dann haben wir zwei Tage gewartet. Wir haben uns kaum aus der Wohnung wegbewegt, viel geredet. Und am Morgen des dritten Tages hat Benny den Anwalt wieder angerufen und bestimmt: Die Übergabe ist heute, ich bringe das Material, Ihre Leute bringen das Geld. Ohne Geld kein Material. Der Anwalt war einverstanden. Benny sollte am Abend gegen elf Uhr am KaDeWe sein.« Sie schwieg, dann fluchte sie plötzlich. »Verdammte Scheiße, was soll ich denn jetzt machen? Ich kann hier nicht leben und ich will nicht nach Hamburg zurück. Wo soll ich denn hin?«
»Er ist jedenfalls abends in die Stadt rein. Mit allen Unterlagen«, sagte Mann leise.
»Ja. Er hat mir einen Haufen Kohle gegeben und gesagt, ich soll den Mund halten und mich nicht rühren, egal was passiert. Wieder habe ich gewartet, aber nun allein. Einen Tag, zwei Tage, sechs Tage. Einen Monat, zwei Monate. Ich wusste doch nichts. Ich wusste nicht, dass er sich aufgehängt hat. Bis dann dieser Artikel erschien. Und als ich den gelesen hatte, dachte ich, das darf doch alles nicht wahr sein! Wieso soll er sich aufhängen, wenn er in die Stadt gefahren ist, um sein Geld zu kassieren?« Sie schluchzte wild und stemmte die Hände gegen das Armaturenbrett.
»Er hat sich gar nicht selbst aufgehängt«, murmelte Mann. »Vielleicht haben sie geglaubt, es gäbe noch Komplizen, und wollten die verschrecken. Er hat sich nicht selbst aufgehängt, Trudi.«
Sie starrte ihn fassungslos an. »Willst du damit sagen, dass er …«
»Ja, wir denken, dass er
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