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Die Raffkes

Die Raffkes

Titel: Die Raffkes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndorf Jacques
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Mann gewandt. »Ich selbst war nicht in Berlin, als es passierte. Ich hatte in Moskau zu tun.« Er lächelte gewinnend.
»Mir wurde erzählt, Ihre Lkws fahren regelmäßig nach Moskau«, sagte Mann. »Ist das nicht sehr gefährlich? Die langen einsamen Straßen?«
»Durchaus nicht«, widersprach der Spediteur. »Lang, ja. Aber die Straßen sind voller Lkws.«
»Was transportieren Sie denn so?«
»Alles«, antwortete Sirtel. »Alles, was anliegt.«
»Alles, was Koniew nach Moskau liefert. Und alles, was er in Moskau einkauft, nehme ich an.«
»Sehr richtig.« Sirtel grinste wieder, nahm ein Sektglas und spreizte tatsächlich den kleinen Finger ab. »Wissen Sie, in der Hinsicht ist Berlin tiefste Provinz. Kaum erwähnen Sie den Namen Koniew, zucken alle wohl erzogenen Menschen zusammen. Aber alle nehmen Koniews Geld. Und mein Geld nehmen sie auch.«
»So ist die Welt«, nickte Mann. »Koniew muss ein interessanter Mensch sein.«
»Ach, im Grunde ist er unspektakulär«, sagte Sirtel. »Ein guter deutscher Staatsbürger. Aber mit einem erstklassig funktionierenden Gehirn. Wollen Sie ihn kennen lernen?«
»Geht denn das?«, fragte Mann naiv.
»Warum nicht?«, sagte Sirtel. »Wir wollen sowieso nachher zu ihm. Er sitzt mit seinem Clan im Smirnow . Wenn Sie wollen, nehmen wir Sie mit.« Er beugte sich vertraulich vor und murmelte: »Wissen Sie, diese alten Leute, diese konservativen Geldsäcke hier, sind langsam out. Die haben doch mit ihren überholten Ansichten nichts mehr zu melden. Du kriegst heutzutage von keinem Banker Geld, wenn du nicht jemanden kennst, der älter ist und die Bank an die Wand drücken kann. So sieht das doch aus, machen wir uns nichts vor. Mein ganzes Leben lang hat mein Vater gepredigt: Entscheidend ist, wie deine Bonität aussieht. Ja, Scheiße! Heute zählt nicht mehr die Bonität, sondern der Fakt, dass du eine Gruppe hinter dir hast, die auf dich setzt. Für die Bank ist Bonität doch auch langsam ein Fremdwort. Wenn du sagen kannst: Ich will das und ich habe Koniew hinter mir!, dann kriegst du, was du willst. Wie ich Sie einschätze, ist Ihnen das klar. Sicher, Sie sind Beamter. Aber Sie denken doch auch wie einer, für den es sich rechnen muss. Oder nicht? Bevor wir zu Väterchen fahren, sage ich Ihnen Bescheid und Sie kommen mit.«
»Wunderbar«, strahlte Mann. »Dann lerne ich endlich die Unterwelt Berlins kennen.«
Sirtel sah ihn eine Sekunde lang misstrauisch an, begriff dann die Ironie und lachte etwas verzerrt. Er sagte: »Komm, Liebling, machen wir die Runde.«
»Gerne«, flötete die Frau. Sie gab Tante Ichen auf jede Wange ein Küsschen und wiederholte die Geste bei Mann. »Schön, Sie kennen gelernt zu haben!« Das Pärchen schlenderte davon, grüßte nach rechts, grüßte nach links, sie bewegten sich wie Sieger. Passenderweise spielte die Band gerade The Girl From Ipanema.
»Du willst mit dem Kleinen zu Koniew?« Tante Ichens Stimme war trunken vor Aufregung.
Mann nickte.
»Du bist Staatsanwalt!«, protestierte sie.
»Ja, eben. Motz nicht rum, hol uns Sittko an den Tisch. Ich bin auch ganz brav und gut erzogen.«
Sie überlegte einen Moment, stand dann auf. Sie bummelte durch das Zelt, traf Bekannte, stand herum, lachte, legte Leuten vertraulich die Hand auf den Arm, verharrte eine Weile am Stuhl von Ulf Blandin, schwebte über allen tückischen Wassern und erreichte schließlich Sittko. Aber sie bekam einen Korb. Er hörte ihr zuvorkommend zu und schüttelte den Kopf.
Sie kehrte zurück. »Er will nicht, er sagt, du bist kein guter Umgang für ihn.«
»Das ist verdammt klug!«, seufzte Mann.
»Er ist klug«, nickte sie. »Und er ist schwer zu fassen.«
»Sag mal, was ist eigentlich mit seinen Bettgenossen? Nicht alle sollen doch voller Überzeugung unter Sittkos Decke schlüpfen. Außerdem muss es doch auch mal Eifersüchteleien geben. Würde einer von denen reden?«
Tante Ichen überlegte. Sie nickte langsam: »Da gibt es den Robert. Robby genannt. Zweiundfünfzig. Seine Frau, so wird gesagt, habe ihn zwanzig Jahre lang mit Sittko geteilt. Angeblich hatte sie keine Ahnung. Aber das glaube ich nicht, so dumm kann keine Frau sein. Nein, Robby ist doch nicht gut, das ist ja auch einer von den Eifersüchtigen. Er weiß, dass sein Herr und Meister auf den Touren quer durch Europa immer Frischfleisch neben sich hat. Aber du solltest mit seiner Frau reden, mein Lieber! Frauen sind sowieso die besseren Gesprächspartner. Die beiden sind ja nun geschieden. Als Ersatz hat Sittko der

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