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Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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ich’s ja
sagen. Das Haus da, also wirklich!“
    „Welches Haus?“
    „Das mit der Gaslaterne vor der
Tür und den Balken. Sieht aus, als würde es jeden Augenblick umfallen.“
    „Ach ja, ich weiß. Soll schon
seit Jahren abgerissen werden. Man wartet so lange, bis es von selbst
zusammenkracht.“
    „Wohnen Leute drin?“
    „Ja. Scheint gar nicht schlecht
zu sein, von innen. Nur die Verpackung ist im Eimer. Natürlich hab ich nicht
nachgesehen.“
    „Was nachgesehen?“
    „Wie’s innen aussieht. Da wohnt ein Araber und noch zwei andere Typen. Sollen ziemlich
unfreundlich sein. Dann noch ein Weib. Wird bestimmt aufgeteilt. Jedenfalls
sind die nicht kontaktfreudig. Also besser nicht zu neugierig sein.“
    War das eine Warnung?
    „Na schön“, beendete ich das
Gespräch. „Wir werden trotzdem mal ‘ne Runde drehen.“
    „Viel Vergnügen.“
    Ich ging zu Hélène. Wir
schlenderten auf das baufällige Haus zu.
    „Hier herrscht
Freikörperkultur“, berichtete ich. „Die Rothaarige hat sich doch nicht in der
Nachbarschaft verkrochen. Hat einem Clochard Hose und Mantel geklaut und ist
nach Hause gegangen. Nicht elegant, aber unauffällig. Die Latschen, die ich dem
Alten hingestellt hatte, konnte sie wohl auch gut gebrauchen.“
    „Und der Morgenmantel?“
    „Den hat sie ihm nicht zum
Tausch dagelassen. Hätte sich rumgesprochen, so voller Blut... Wahrscheinlich
hat sie ihn weggeschmissen, in einen Gully oder so.“
    Hinter uns ertönte
Pferdegetrappel und wildes Geheul. Vier Gören spielten Indianer. Sie überholten
uns und verschwanden ein paar Meter weiter im Loch eines Bretterzaunes. Jetzt
hörte man einen Höllenlärm. Ausrangierte Kessel und alte Töpfe ließen das
Viertel erbeben.
    „Da ist es“, sagte ich und
zeigte auf das Haus.
    „Sieht wirklich furchtbar aus“,
stellte sie fest.
    „Aber es steht noch. Der
Anblick von Schutt und Asche wär trauriger. Und nicht so gut für die
Spurensicherung…“
    „Sind Sie sicher, daß Leute da
drin wohnen?“ fragte Hélène und verzog skeptisch den Mund.
    „Außer dem, was ich mit eigenen
Augen gesehen hab, hat mir der Mechaniker das versichert. Nicht kontaktfreudig.
Die Mieter, meine ich. Ein Araber. Und wo ein Araber ist, ist ein Rasiermesser
nicht weit. Außerdem eine Frau, die rumgereicht wird.“
    Hélène wurde rot.
    „Wie furchtbar! Scheint wohl
verlassen worden zu sein.“
    „Oh, das würde ich nicht
unbedingt sagen... Ach, Sie meinen das Haus? Das sieht nur so aus. Kommen Sie
mit?“
    „Sie wollen doch nicht...“
    „Doch, ich will. Was ist schon
dabei? Es ist hell, und außerdem ist das Schlimmste vorbei. Die haben sich
heute nacht völlig verausgabt. Los, kommen Sie! Wir
sind ein jungverheiratetes Paar auf der Suche nach einem Liebesnest. Bei der
Wohnungsnot...“
    Der Hausflur empfing uns mit
dem wohlbekannten Gestank.
    Durch die Öffnung, Typ
Schießscharte, bekam die Treppe graues Licht. Die Scheiben waren zwar wie durch
ein Wunder heil, aber staubbedeckt. Die Stufen dienten nach wie vor als
Mülldeponie. Zu den Kippen und dem zerknüllten Papier war noch Stroh
hinzugekommen. Außerdem sah es so aus, als hätte man einen Sack Kohle über die
Stufen geschleift.
    „Concierge!“ rief ich der Form
halber.
    Ich wußte natürlich, daß er
hier keine Concierge gab. Aber vielleicht fühlte sich jemand angesprochen und
kam aus seinem Loch. Es kam aber niemand. Niemand fühlte sich angesprochen.
    „Gehen wir nach oben“, sagte
ich.
    Hélène ließ mir den Vortritt.
Wenn irgendwo irgend jemand war, dann ließ er uns
seine Anwesenheit nicht spüren. Stille, die Spezialität des Hauses. Von draußen
drang gedämpfter Lärm zu uns: Kindergeschrei von dem unbebauten Gelände, dazu
das kraftvolle Lied der Arbeit auf den Bahngleisen. Zum Schein klopfte ich an
die beiden Türen in der ersten Etage. Nichts. Keine Reaktion. In Hélènes Blick
las ich deutlich:
    „Verlassen, wie ich’s mir
gedacht habe.“
    Sah ganz so aus. Ich drehte den
grünlich kupfernen Knauf. Die Tür des heute nacht plötzlich vestorbenen Ferrand ließ sich mühelos öffnen.
    Der Toilettentisch und der
einzige Stuhl standen in einer Ecke. Das Eisenbett war hochkant gegen die Wand
gelehnt. Keine Leiche auf dem Boden! Sie war verschwunden und hatte Staub,
Dreck und Blut samt Spuren mitgenommen.
    „Hausputz“, kommentierte
Hélène.
    „Und zwar gründlich“, fügte ich
hinzu. „Keine Spur von dem Gemetzel von gestern nacht. Ein Fall für die
Laboranten der

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