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Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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zufällig?“
    „Wollen Sie mich verarschen?“
fragte er. „Warum sollte ich die süße Maus kennen?“
    „Weiß ich nicht. Zufällig eben.
Das Foto lag auf dem Bürgersteig, hier ganz in der Nähe. Vielleicht wohnt die
im Viertel?“
    „Nie gesehn.“
    „Ist das nicht die, die sich
die drei in dem Abbruchhaus teilen?“
    „Oh, das ist was ganz anderes.“
    „Na schön. Soll mir auch egal
sein. Ich behalte es. Kann mir’s ja ins Familienalbum kleben. Die Kleine
kommt wohl vom Land...“
    „Woran sehen Sie das denn,
M’sieur?“
    „Am Hintergrund.“
    Er lachte.
    „Sie sind aus Paris, M’sieur?“
    „Eigentlich schon.“
    „Jedenfalls nicht aus dem 14.
Wissen Sie, wo das gemacht worden ist? Zwischen der Rue des Arbustes und der
Rue des Camélias, auf der Brücke hinter dem Hôpital Broussais. Und ob ich die
Gegend kenne! Bin in der Rue Didot geboren.“
    „Ach so! Und der Bahndamm
gehörte zur früheren Ringbahn?“
    „Genau. Ist jetzt stillgelegt.
Wird nur noch von Citroën benutzt. Abends spät rollen manchmal Autozüge von
Javel zur Gare de Lyon.“
    Man wird alt wie ‘ne Kuh und
lernt immer noch dazu. Ich hab ‘ne Zeitlang im 14. gewohnt. Zuerst in der Villa
Duthy, im selben Haus wie Jacques Prévert. Dann in der Passage de Vanves über
dem Majestic-Brune. Beides nicht weit von der Rue des Camélias. Aber den
Hintergrund auf dem Foto hätte ich nicht wiedererkannt. Allerdings liegt das
auch gut versteckt.
    Ich fuhr meinen Dugat aus der
Werkstatt und lud Hélène ein. Nach ein paar Radumdrehungen fragte ich:
    „Na, schmollen Sie schön? Was
muß ich tun, um Sie wieder aufzuheitern?“
    „Ich schmolle doch überhaupt
nicht!“ ereiferte sie sich. „Ich dachte. Zuviel Phantasie... Wissen Sie, wo das
Foto gemacht wurde? Wir haben unsere Zeit wirklich nicht vertrödelt. Jetzt
werden wir uns die Brücke samt Umgebung mal näher ansehen. Meine Rothaarige hat
sich als Kameliendame entpuppt.“
    Ich sah auf den Stadtplan.
    „Ausgezeichnet!“ rief ich. „Wir
haben aber auch ‘n Glück! Die Rue des Camélias liegt nur einen Steinwurf
entfernt von der Rue des Mariniers. Da kenne ich einen. Anatole Jakowski. Ist
mir vor kurzem von Ralph Messac vorgestellt worden. Hab ich Ihnen davon
erzählt?“
    „Ja. Kunstkritiker, wenn ich
mich recht entsinne?“
    „Spezialgebiet: Naive Malerei.
Wenn die Rote bei ihm in der Gegend wohnt, kennt er sie bestimmt und kann uns
einiges über sie erzählen.“

8.

Die Rote Maus, Teil II
     
    Ich parkte meinen Wagen am Ende
der Rue des Arbustes. Direkt neben dem grauen Holztor, einer Art
Lieferanteneingang des Hôpital Broussais, vor der Schranke, die den Autos die
Zufahrt zur Brücke über die ehemalige Ringbahn verwehrte.
    Der Mechaniker wußte, wovon er
sprach. Das hier hatte tatsächlich den Hintergrund zu dem Foto in meiner Tasche
abgegeben. Ländlich pittoresk und erstaunlich ruhig. Man hätte nie vermutet,
daß sich große Verkehrsadern wie der Boulevard Brune, die Rue Didot oder die
Rue Raymond-Losserand ganz in der Nähe befinden. Es gab zwar auch eine Fabrik —
man mußte die finstere Mauer buchstäblich hinter den Bäumen suchen — , aber das zurückhaltende Geräusch ihrer Maschinen verlor
sich in der drückenden Luft des schwülen Nachmittags. Nur die Vögel machten
Lärm. Das war allerdings angenehm und beruhigend.
    Zwischen dem bewaldeten,
zugewucherten Bahndamm liefen die glänzenden Schienen über den Schotter. Ein
paar hundert Meter weiter verschwanden sie in einem Tunnel.
    Hier und da lag eine kaputte
Gemüsekiste oder ein Pappkarton rum. Auch ein einsamer, verlassener Schuh und
so was Ähnliches wie ‘ne Hose hingen in einem Dornenstrauch. In Paris gibt es
Leute, die noch nie was von Mülleimern gehört haben.
    Zwischen den Bäumen
schlängelten sich ausgetretene Wege. Offensichtlich kamen Kinder zum Spielen
hierher und Verliebte zum Knutschen.
    „Warten Sie mal“, sagte ich zu
Hélène.
    In dem Gitterzaun neben dem
Holztor des Hospitals entdeckte ich ein Loch. Ich schlüpfte hindurch und ging
hinunter zum Gleis... zu den weggeworfenen Klamotten, die mich interessierten.
Sofort erkannte ich den Schuh wieder. Er gehörte zu dem Paar, das Ferrand mir
als Alibi mitgegeben hatte. Die Hose war bestimmt die, die man dem Clochard
geklaut hatte. Dann konnte der Mantel auch nicht weit sein. Überflüssig, ihn zu
suchen. Was ich wissen wollte, sah ich.
    „Vorsicht!“ rief Hélène.
    Ich beruhigte sie mit einem
Handzeichen. Unter meinen Füßen hatte

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