Die Ratten im Maeuseberg
heraufbeschworen.“
„Hübsch gesagt!“
„War ‘n Zitat aus dem Artikel
eines Kollegen. Fliegt bestimmt bei der nächsten Ausgabe raus. Sie wissen doch,
um die Rue Blottière kümmert sich kein Schwein!“
Ich zuckte zusammen.
„Man kann nicht jeden Tag über
‘n Wohltätigkeitsbasar berichten, stimmt’s?“
„Leider.“
Wir legten auf. Ich erzählte
Hélène, was sie sich nicht sowieso schon zusammengereimt hatte.
„Und jetzt an die Arbeit!“ rief
ich und stand auf. „Werd mal hingehen. Kommen Sie mit? Wird bestimmt
interessant. Und dann gehen wir essen.“
7.
Die Ratten verlassen das sinkende Schiff
Ich hielt unter der Brücke, die
das 14. vom 15. Arrondissement abgrenzt. Hier wird die Rue de Gergovie
zur Rue de la Procession. Ich
glaube, deswegen heißt die Brücke auch Pont de la Procession. Aber beschwören
kann ich’s nicht.
Ich stieg aus, öffnete die Motorhaube
und fummelte ein wenig an der Mechanik rum. In der Rue Blottière gab’s nämlich
‘ne Autowerkstatt. Eine kleine Panne würde meine Anwesenheit in dem Viertel
rechtfertigen, falls ich vor irgend jemandem irgendwas
rechtfertigen mußte. Nach dem Eingriff ging ich zu Fuß in die Rue Blottière.
Hélène paßte auf den Wagen auf.
Der Zufall spielt einem manchmal dumme Streiche . Die Wanzen hatten Schwein
gehabt. Ihr Versteck war nicht in Gefahr. Das Totenhaus stand da, als wär
nichts geschehen. Genauso häßlich wie gestern nacht, für keinen Sou
freundlicher im Sonnenschein. Eher stach die zerfressene Fassade noch
deutlicher ins Auge. Schief, von Balken gestützt. Falsch getippt, Nestor! Du
mit deiner Phantasie!
Ich ging trotzdem in die
Werkstatt und erklärte einem Kerl in ölschmierglänzendem Blaumann meine
verzweifelte Lage als Sonntagsfahrer. Es wurden weder Mühen noch Kosten
gescheut. Der Mechaniker rief einen jungen Kollegen. Zusammen holten sie den
Abschleppwagen aus einem Schuppen, und dann fuhren wir zu dritt zu meinem armen
Dugat. Die beiden sahen gar nicht erst nach, was er haben könnte. Sie hakten
ihn kurzerhand an ihren Kranwagen, und ab in die Werkstatt! Dort gönnten sie
sich erst ein Glas Rotwein. Ganz ungeniert. Gleich würden sie Hélène auf
fordern, mit ihnen anzustoßen!
„Dauert’s lange?“ fragte ich
vorsichtig.
Der im schmierigen Blaumann
kratzte sich nachdenklich am Nacken.
„Kann man vorher schlecht
sagen“, antwortete er.
„Tja, dann gehen wir mal ‘ne
Runde spazieren.“
„Gibt nicht viel zu sehen, hier
im Viertel.“
„Außer Julot, falls die Flics
ihn wieder freigelassen haben“, fügte der andere hinzu. „Aber das ist nichts
für eine Dame.“
„Wer ist Julot?“ hakte ich
nach.
„Der schönste Säufer des
Viertels. Wenn er blau ist, geht er nicht nach Hause. Pennt einfach auf dem
Bürgersteig, halbnackt. Die Flics haben in heute morgen einkassiert, wegen
Erregung öffentlichen Ärgernisses. Hatte keine Hose an. Behauptet, sie wär ihm
geklaut worden, zusammen mit seinem Mantel. Nichts für eine Dame, wie gesagt.
Vor allem... Ist nicht grade ‘ne Augenweide, unser Julot.“
Dabei schielte er gierig zu
Hélène hin. Meine hübsche Sekretärin stand in der Einfahrt, im Gegenlicht. Ihr
leichtes Sommerkleid war durchsichtig genug, daß man ihre herrlichen Beine
bewundern konnte. Ich beugte mich zu dem Jungen.
„Prima Fahrgestell, hm?“
„Erstklassig“, stimmte er mir
zu. „Könnte mich schon begeistern.“
Ganz schön frech für sein
Alter! Aber nicht frech genug. Er wurde rot. Wie ein junges Mädchen. Allerdings
mit weniger berauschenden Beinen.
„Fang nicht gleich Feuer“,
sagte ich. „Aber a propos Feuer... hier auf der Straße soll’s gebrannt haben?“
„Da hinten.“
„Schlimm?“
„Ziemlich. Aber keine Toten.“
Sein Blick wanderte wieder zu
Hélène. Zu spät. Das schöne Kind hatte gemerkt, welch interessantes Schauspiel
sie bot, und sich zur Seite gestellt. Der junge Mann neben mir seufzte.
„Sind alles Egoisten. Gönnen
uns nichts“, tröstete ich ihn.
„Ein Wanzennest weniger“,
erklärte mein Gesprächspartner.
Ich wußte nicht so recht, wovon
er redete. Aber dann fügte er hinzu:
„Davon gibt’s so einige hier.
Könnten ruhig auch abbrennen.“
Ich nickte zustimmend.
„Hm. Wie die Hütte, die ich auf
dem Weg hierher gesehen habe. Aber ich will nicht lästern. Schließlich wohnen
Sie hier...“
„Ich wohne nicht hier“,
unterbrach mich der Mechaniker im Blaumann. „Hier ist nur die Werkstatt.“
„Ach so. Dann kann
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