Die Ratten im Maeuseberg
ich
dann. „Abgestochen wie ‘n Schwein.“
Hélène bekam große Augen und
hielt sich vor Schreck die Hand vor den Mund.
„Großer Gott!“ rief sie
kopfschüttelnd. Ihre Haare tanzten um das hübsche Gesicht. „Wie ich schon
sagte: Man kann Sie nicht alleinelassen! Sie werden sich nie ändern. Wie ist
das denn passiert?“
„Etwas anders als üblich. Wenn
ich mich sonst mit einem Todeskandidaten verabrede, ist er tot, wenn ich
aufkreuze. Ferrand dagegen wurde hinterher getötet.“
„Und... wissen Sie, von wem?“
„Sie fragen das mit so einem
seltsamen Unterton...“
„Tja...“
„Gaudebert, hm? Das denken Sie
doch, oder? Aber natürlich, meine Süße. Wird von Ferrand erpreßt. Beauftragt
mich, ihm den Kerl durch Angsteinjagen vom Hals zu schaffen. Sagt sich dann: am
besten gleich umbringen. Hat ja lange keine Köpfe mehr rollen lassen. Schnappt
sich ein Rasiermesser und schreitet zur Tat.“
„Machen Sie sich ruhig lustig
über mich“, schmollte Hélène.
„Ja, das entspannt... Hören
Sie, Hélène. Dieser Ferrand lebte gefährlich. Wollte sich an den eigenen Haaren
aus dem Sumpf ziehen. Verständlich. Er hatte mehrere heiße Eisen im Feuer. An
einem hat er sich die Finger verbrannt. Vielleicht ist er von einer Ratte von
Montsouris umgebracht worden, vielleicht von einer rothaarigen Schlampe,
vielleicht von jemand anderem. Vielleicht wegen der Sache, in die er mich
einweihen wollte, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht, kann sein. Und jetzt
meine aufregende Nacht im einzelnen ...“
Als ich zu Ende erzählt hatte,
machte Hélène ein langes Gesicht.
„Hm... Mit anderen Worten, Sie
wissen immer noch nicht, um welche heiße saubere Sache es ging, bei der mehrere
Millionen rausspringen sollten?“
„Leider nicht!“ seufzte ich.
„Und wenn ich mich weiterhin so dämlich anstelle wie heute nacht, werd ich’s
auch nicht erfahren. Kaum zu glauben! Bei dem Sturz auf der Treppe muß ich wohl
meinen Verstand verloren haben. Wenn Sie einen Fleischer kennen, der ‘n
Rindvieh braucht: geben Sie ihm meine Telefonnummer! Ich zähl für zwei. Ach,
was sag ich! Für ‘ne ganze Herde!“
Ich schlug mit der rechten
Faust in die linke Handfläche. „Herrgott nochmal! Was bin ich für ein
Armleuchter!“
„Aber, aber“, versuchte Hélène
mich zu beruhigen. „Regen Sie sich doch nicht so auf! Ich versteh gar nicht,
warum Sie sich wie’n Esel benommen haben sollen...“
„Wie ‘n Rindvieh...“
„...Weil Sie abgehaun sind,
nachdem Sie den Toten entdeckt hatten? Obwohl in dem Haus offenbar ‘ne Menge
schräger Vögel wohnen? Heldentum ist ‘ne wundervolle Sache. Aber ein toter Held
nützt mir gar nichts. Schließlich sind Sie mein Arbeitgeber. Und außerdem, was
hätten Sie davon gehabt? Ach ja, die Mannesehre...“
„Wer redet hier von Heldentum
und Mannesehre? Ich weiß ganz genau, wann ich den Helden spielen muß und wann
nicht. In diesem Fall wußte ich gar nicht, wo die Glocken hingen... Außerdem
hatte ich meine Kanone nicht bei mir. Also hab ich mich nicht reingemischt,
sondern rausgehalten. Aber es gab ‘ne ungefährliche Möglichkeit, mehr zu
erfahren. Selbst wenn sie’s gewesen wär, die der tätowierten Ratte die Kehle
durchgeschnitten hat.“
„Sie?“
„Die rote Maus. Rote Haare,
roter Morgenmantel. Diese Anfängeridee hätte dem erstbesten Blödmann einfallen
müssen. Aber ich bin eben kein Anfänger, und auch nicht der erstbeste
Blödmann.“
„Was für eine Idee?“
„Sie war nackt unter dem
Morgenmantel. Und nach dem Fußtritt, den sie mir verpaßt hatte, fehlte ihr ein
Latschen. In dem Aufzug konnte sie nicht weit kommen. Ich hätte sie verfolgen
müssen. Der Teufel soll mich holen, wenn ich sie nicht in irgendeiner Ecke
aufgestöbert hätte!“
„Wirklich?“ flötete Hélène. „Na
ja, weinen Sie nicht! Die Idee ist es nicht wert. Sie haben recht: der Sturz
hat Ihnen den Verstand vernebelt. Sie können sich doch vorstellen, wohin sie
geflüchtet ist in ihrem Morgenmantel, halb barfuß: ins Nachbarhaus! Weiter
bestimmt nicht. Da hätten Sie stundenlang die Häuserecken absuchen können.“
Ich schüttelte den Kopf.
„Würde mich wundern, wenn das
Mädchen in der Nachbarschaft untergekommen wär. Ich glaube nach wie vor, daß
sie in diesem Loch fehl am Platze war. Sie kommt überhaupt nicht aus dem
Viertel!“
„Hm... Sagen Sie mal...“
„Ja?“ ermunterte ich meine
Sekretärin.
„Vielleicht geht es hier um
Kidnapping...
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