Die Ratten
die Morgenzeitung für Harris. Sie dankten ihr und versuchten, sich unter den Decken zu halten, während sie geschäftig durch das Zimmer eilte, die Vorhänge am Fenster aufzog und die längst erkaltete Wärmflasche aus dem Bett zog. Während Tante Hazel mit ihren scheinbar unerschöpflichen Kommentaren über das Wetter, die Nachbarn und den Zustand von Mrs. Greens Kohlbeet weiterplapperte, kniff Judy Harris unter der Decke in eine der nackten Pobacken. Er unter-drückte einen Schrei, packte ihr Handgelenk und setzte sich auf die Hand. Dann zupfte er an dem kleinen behaarten Hügel zwischen ihren Schenkeln.
Als Judy nicht länger einen Aufschrei unterdrücken konnte, erklärte sie der überraschten Tante zwischen Lachen, sie hätte einen Krampf im Fuß. Tante Hazels Hand schoß unter die Bettdecken, packte Judys Fuß und begann ihn heftig zu massieren. Harris kämpfte gegen einen Lachanfall an und mußte sich hinter der Zeitung verbergen, die in seinen Händen zitterte.
Um zehn Uhr zogen sie sich an und gingen hinunter zum Frühstück. Die Tante fragte sie, was sie sich für den ganzen Tag vorgenommen hatten, und schlug vor, mit ihr zum Wohltätigkeitsbasar zu gehen. Sie entschuldigten sich, indem sie sagten, daß sie nach Stratford fahren und nach einer Besichtigung vermutlich dort zum Mittagessen bleiben würden. Tante Hazel ermahnte sie, vorsichtig zu fahren, setzte einen feschen Strohhut auf, nahm ihre Einkaufstasche und verabschiedete sich. An der Tür des Vorgartens winkte die Tante ihnen noch einmal zu. Sie spülten das Geschirr, und während Judy das Bett machte, säuberte Harris den Kamin im Wohnzimmer und zündete ein neues Feuer an. Obwohl er sich nicht erklären konnte, warum das alte Mädchen bei diesem Wetter ein Feuer im Kamin haben wollte, mußte er zugeben, daß es am Abend ein willkommener Anblick war.
Schließlich stiegen sie in den Wagen und fuhren nach Stratford, auf der Landstraße sangen sie aus voller Kehle.
Erst als Harris Mühe hatte, einen freien Parkplatz zu finden, bereute er den Besuch in der alten Stadt Stratford. Es wimmelte von Leuten, Wagen und Bussen. Er war noch nie in Stratford gewesen und hatte erwartet, malerische, alte Fachwerkhäuser an gepflasterten Straßen zu sehen. Jetzt ärgerte er sich über seine Naivität, weil er sich nicht klargemacht hatte, daß eine solche Touristenattraktion vom Profitstreben verdorben wurde. Schließlich fand er einen Parkplatz in einer Seitenstraße. Auf dem Weg zum Royal Shakespeare Theatre erkannte er, daß sich trotzdem viele der Straßen ihren alten Reiz bewahrt hatten, doch es waren die Massen der Leute aller Nationalitäten, die jede Hoffnung auf Atmosphäre zerstörten. Und je näher sie an das Theater gelangten, desto lauter wurde es auf den Straßen.
Ein dünner, blasser Mann mit einem kurzärmeligen, lässigen Hemd und einem Fotoapparat vor der flachen Brust: »Kommst du, Ilda?«
Die dröhnende Antwort einer drallen, bebrillten Frau, die mit einem Dutzend Ansichtskarten aus Stratford-on-Avon aus dem Laden auftauchte: »Ich komme ja schon, ich komme ja schon!«
Ein unverkennbarer Amerikaner, kurzgeschnittenes Haar, kariertes Jackett, die unvermeidliche Kamera: »Schau her, Immogene. Schnell. Das muß ich knipsen.«
Immogene, die selbstbewußt vor einem Fachwerkhaus mit Strohdach posierte, an einem Eis leckte und kurzsichtig durch eine bläulich getönte Brille spähte: »Mach fix, Mervyn, ich komme mir blöde vor.«
Sie gelangten zum Theater, einem äußerst deprimierenden Gebäude, und stellten fest, daß es geschlossen war.
»Laß uns mit einem Boot den Fluß runterfahren«, schlug Judy vor, als sie Harris' Enttäuschung spürte. Doch auf dem Fluß wimmelte es von Stakkähnen, Kanus und Ruderbooten.
»Gehen wir etwas trinken.« Harris wandte sich zum nächsten Pub, und als er an den Fenstern vorbeiging, sah er drinnen jede Menge Leute, die Würstchen, Snacks, Eier und Chips hinunterschlangen. Sie betraten eine dunkle Bar, alles Holz und Steinboden. Die Mädchen hinter der Bar trugen alte Kostüme und lächelten freundlich, während sie den Andrang der Menge meisterten. Das ist schon besser, dachte Harris. Er bestellte ein Pint Brown, einen Rotwein und zwei Sandwiches mit Schinken und Tomaten. Dann brachte er den Wein zu Judy hinüber, die an einem alten, runden Eichentisch Platz genommen hatte, und kehrte zur Bar zurück, um das Bier zu holen. Als er neben Judy saß, drückte er ihre Hand, um ihr zu zeigen, daß seine
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