Die Ratten
beide mit wippenden Brüsten und um die 14, liefen an ihm vorbei.
»Naja, wenigstens sind die Mädchen passabel«, murmelte Harris und lächelte vor sich hin.
Die Hälfte der ersten Unterrichtsstunde war vorüber, als Keogh das Klassenzimmer betrat. Er trug seine übliche Uniform - ein kurzärmeliges, kariertes Hemd, eine Hose, die von den Hosenträgern auf halbmast gehalten wurde, und schwere Stiefel, deren Schäfte zu sehen waren.
»Guten Morgen, Keogh«, sagte Harris.
»Morgen.« Etwas arrogant.
»Nett, daß du uns Gesellschaft leistest.«
Stille.
»Nun, welche Story hast du diesmal auf Lager?« erkundigte sich Harris. »Probleme mit dem Rücken? Kamst du nicht hoch?«
Einige der Mädchen kicherten, und Harris bereute sofort seinen Sarkasmus. Dies war nicht der richtige'Weg, um Keoghs Unnahbarkeit zu durchbrechen.
Immer noch Schweigen.
O Gott, dachte Harris, der ist aber mies gelaunt. Himmel, zu meiner Zeit hatten die Jungs Angst davor, daß die Lehrer schlecht gelaunt waren. Und jetzt hoffe ich, ihn nicht zu sehr aufzuregen.
Dann fiel sein Blick auf die Hand des Jungen. Keogh hatte ein schmutziges Taschentuch um die Hand gewickelt, das blutgetränkt war.
»Warst du in eine Prügelei verwickelt?« fragte Harris milde.
»Nein.«
»Was dann?« Härter.
»Ich bin gebissen worden«, antwortete Keogh widerwillig.
»Wovon?«
Keogh blickte auf seine Füße und versuchte zu verbergen, daß er rot wurde.
»Von einer verdammten Ratte«, sagte er.
3
Karen Blakely kreischte vor Freude, als ihr der Hund die Nase leckte. Das Mädchen war erst ein Jahr alt und fasziniert von dieser lebhaften, vierbeinigen Kreatur, die es nie leid wurde, mit ihr zu spielen - wenn nicht Zeit für das Fressen war. Sie packte den Hund mit ihren kleinen Händen am Schwanz und zog daran mit aller Kraft, die sie bereits hatte.
Der Mischlingshund bellte mit offensichtlichem Wohlbehagen und wandte sich mit einem Sprung wieder dem Mädchen zu, um ihm von neuem übers Gesicht zu lecken, was weiteres Kichern und Kreischen zur Folge hatte.
»Shane!« rief Karens Mutter, als sie das Zimmer betrat. »Du sollst das Baby nicht ablecken! Wie oft soll ich dir das noch sagen?«
Der Hund blickte Karens Mutter schuldbewußt an. Die Zunge hing ihm heraus, und er keuchte. Als er sah, daß sein Futternapf gefüllt wurde, trottete er hinüber und fraß gierig in sich hinein.
»Und jetzt, Karen, werden wir eine gute Tasse Tee trinken und dann einkaufen gehen«, sagte Paula Blakely und lächelte ihre Tochter an, die jetzt den Hund am Bein zog. Der Hund und das kleine Mädchen waren fast zur gleichen Zeit ins Haus gekommen; Karen als Frühgeburt, und Shane war ein Geschenk von Paulas Mann Mike. Der Hund hatte sie beschäftigen sollen, während sie auf die Geburt ihres ersten Kindes gewartet hatte, doch am gleichen Tag hatten ihre Wehen eingesetzt und Mike hatte seine Frau in aller Eile ins Krankenhaus gefahren. Trotzdem hatte es zwölf Stunden gedauert, bis das Baby zur Welt gekommen war, und die Schmerzen waren so groß gewesen, daß Paula sich keine weiteren Kinderwünschte. Aber sie liebte dieses Kind, mehr noch als sie Mike liebte, wie sie glaubte. Vielleicht weil es das einzige war, das wirklich ihr gehörte. Vielleicht auch, weil Karen etwas war, das sie hervorgebracht hatte.
Paula blickte auf das fröhliche Baby und lächelte. Oder liebte sie Karen so sehr, weil sie so süß und liebenswert war? Paula und Mike hatten Karen nicht so früh gewollt; eigentlich konnten sie sich noch kein Kind erlauben. Sie hatten Glück gehabt, so schnell eine Wohnung zu bekommen, so schäbig sie auch war. Es war ein übles Viertel, nahe beim Hafen, aber sie hatten die meiste Zeit ihres Lebens ohnehin in Poplar gelebt, und so änderte sich nicht viel. Und es war gewiß kein Slum! Paula hatte dafür gesorgt. Andere Häuser in der Straße mochten von den Mietern vernachlässigt werden, doch ihres war makellos. Bald, wenn sie genug Geld gespart hatten, würden sie nach Barking oder Ilford umziehen, nicht zu weit von Mikes Arbeitsstelle in der Autowerkstatt entfernt. Er hatte dort einen zu guten Job, um ihn aufzugeben. Ja, sie würden in ein besseres Wohnviertel umziehen, wo man keinen Hund oder eine Katze halten mußte, nur um die Mäuse fernzuhalten.
Das Pfeifen des Wasserkessels riß sie aus ihren Träumen. Sie stellte die Pfeife ab und nahm die Teedose aus dem Geschirrschrank. Paula fluchte, als sie feststellte, daß die Teedose leer war. Mike trank morgens
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