Die Rebellen von Irland
Runde:
»Das Angebot ist abgelehnt worden.«
Walter stand auf der Mauer und spähte zu den Geschützstellungen hinüber, als der erste Kanonenschuss fiel. Er spürte einen leichten Anflug von Angst und Erregung, während er die Kugel vorbeizischen hörte. Zu seiner Überraschung traf sie nicht die Mauer, sondern fuhr krachend in den hohen Kirchturm dahinter. Etwas Mauerwerk prasselte in die Tiefe. Augenblicke später donnerte es ein zweites Mal, und wieder geschah dasselbe. Anscheinend benutzten sie den Turm für Zielübungen.
»Sie holen zuerst den Kirchturm herunter«, bemerkte ruhig ein alter Soldat neben ihm. »Sie wollen verhindern, dass sie von da oben mit Musketen beschossen werden.« Er rümpfte die Nase. »Aber dieses Geschütz wird auf die Mauern keinen großen Eindruck machen.«
Eine Weile herrschte Stille. Dann hörten sie erneut ein Donnern. Aber diesmal klang es anders. Es war lauter und endete mit einem tiefen, scharfen Grollen. Ein lauter Knall ertönte, und im unteren Teil des Kirchturms klaffte ein Loch.
»Was war das?«, fragte Walter.
»Ich bin mir nicht sicher«, antwortete der Soldat. »Das könnte ein Dreißigpfünder gewesen sein.« Er schüttelte den Kopf und verfiel in Schweigen. Der nächste Schuss folgte.
In Europa gab es zu der Zeit zwei Arten von Belagerungsgeschützen. Einmal die Mörser, mit denen man große, mit Schwarzpulver gefüllte Eisengranaten auf eine hohe Flugbahn schoss; diese Granaten explodierten mit verheerender Wirkung. Dann die Kanonen, mit denen man feste Kugeln verschoss, die geeignet waren, Mauern zu brechen. Die größten in Irland bekannten Geschütze verschossen gewöhnlich zwölf oder vierzehn Pfund schwere Kugeln. Bei einem Beschuss mit Kugeln dieser Größe würden die dicken Mauern Droghedas wohl Schaden nehmen, aber sie würden standhalten. Doch es gab noch größere Ungetüme. Mit so genannten Halbkartaunen, Kartaunen und Doppelkartaunen konnte man Kugeln verschießen, die um ein Vielfaches größer waren.
Lord Ormond und seine Kommandeure hatten nicht damit gerechnet, dass Cromwell einige dieser großen europäischen Geschütze mit nach Irland bringen würde. Und die Artilleristen, die sie bedienten, verstanden ihr Handwerk.
Das unheilvolle Grollen der Kanone hielt den ganzen Morgen an. Nach einiger Zeit sah die Kirchturmspitze so aus, als hätte ein unsichtbarer zorniger Rabe an ihr gepickt. Dann, ganz plötzlich, stürzte sie unter lautem Krachen ein.
Das Geschütz verstummte nicht, sondern beharkte nun den Kirchturm darunter. Gegen Mittag sah er aus wie ein abgebrochener Zahn, und die Kanone nahm die nahe Bastion an der Ecke der Mauer ins Visier. Dieser Teil des Festungswerks war bei weitem stabiler. Aber die Kanone setzte den Beschuss gleichmäßig fort, Stunde um Stunde, ohne Pause, den ganzen Nachmittag über und bis in den Abend hinein. Beißender Rauch trieb von den Geschützstellungen in Richtung Stadt. Langsam zerbröckelte der mächtige Eckturm, der jahrhundertelang jedem Angriff getrotzt hatte. Kurz vor Einbruch der Dämmerung richteten die Kanoniere ihre Aufmerksamkeit auf die Mauern und schossen weit oben zwei Breschen.
In der Nacht ließ Aston die Löcher von seinen Leuten flicken und die Steine ersetzen. Doch im Morgengrauen wurden viel umfangreichere Arbeiten in Angriff genommen, bei denen die halbe Garnison mithelfen musste. Die Männer hoben ein kurzes Stück hinter der durchbrochenen Mauer drei Gräben aus. Und hinter jedem Graben wurden mit Erde Schanzen aufgeworfen, hinter denen Musketiere Deckung finden konnten.
Obwohl solche Arbeiten normalerweise Sache der Infanterie waren, half auch Walter mit, und niemand hielt ihn davon ab. Den Spaten in der Hand, arbeitete er neben Männern, die halb so alt waren wie er, und da der wohlbeleibte Kaufmann eine solche Plackerei nicht gewohnt war, hatte er bereits am frühen Morgen ein rotes Gesicht und war in Schweiß gebadet, aber er war glücklich, sich nützlich machen zu können. Die Gräben liefen zu der Mauer, die den Kirchhof umgab. Hinter den Schanzen erhob sich der steile Hügel, auf dem das kleine Fort thronte.
Am frühen Morgen wurde bekannt, dass eine Gruppe von Aristokraten Aston zur Kapitulation gedrängt hatte. Er hatte sie an einem der Nordtore aus der Stadt werfen lassen.
»Wie kann er denn kapitulieren?«, rief ein Offizier. »Wenn das mächtige Drogheda aufgibt, welche andere Stadt würde dann noch Widerstand leisten und kämpfen?«
In diesem Augenblick ertönte
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