Die Rebellen von Irland
es nichts für sie zu tun gab. Mary Walsh bemühte sich, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, aber sie war bedrückt. Doch am meisten litt der arme Daniel. Auch wenn er nicht alles verstand, so schien er doch stärker als alle anderen zu spüren, dass Mary unglücklich war. Er klammerte sich an sie, wurde unleidlich, und auch das war für sie schwer zu ertragen. Nach einem Jahr wurde er krank und starb. Orlando hatte Donatus schon frühzeitig gewarnt. »Geistesschwache werden selten zwanzig.« Doch noch viele Monate, nachdem sie Daniel begraben hatten, lag ein Schatten der Trauer auf der Familie.
Einen Umstand freilich betrachtete Donatus als Segen. Hier, im Exil, lernte er seinen Vater viel besser kennen, als es ihm sonst möglich gewesen wäre. Er wusste, wie erniedrigend sein Vater ihre ärmlichen Verhältnisse empfand, und er bewunderte ihn dafür, dass er es niemals zeigte. Gemeinsam bewirtschafteten sie ihr kleines Stück Land, hielten Schweine, ein paar Kühe, bauten Getreide an. Und Orlando übernahm auch seine schulische Erziehung, mit dem Ergebnis, dass Donatus schon mit zwanzig das meiste von dem wusste, was an der Universität Salamanca gelehrt wurde, und darüber hinaus noch Grundkenntnisse in irischem Recht besaß. Möglicherweise lag es am ständigen Umgang mit einem älteren Mann, dass er für einen Jungen seines Alters allzu reife Ansichten annahm. Aber dies war schwerlich eine Zeit für die üblichen Freuden der Jugend, und es machte ihn glücklich zu wissen, dass er bei allem an der Seite des Vaters stand.
Jedes Jahr pilgerten sie nach Fingal. Umgesiedelten Familien war das Reisen verboten, aber sie sahen sich vor und wurden niemals erwischt. Es gab so manches gefühlsselige Wiedersehen. Die Pächter auf dem Gut nahmen sie freundlich auf und versteckten sie in ihren Cottages. Einer gab Orlando sogar einen Teil des Pachtzinses: »Ich werde dem alten Teufel Pincher sagen, dass ich es mir nicht leisten kann, ihm die volle Summe zu bezahlen«, pflegte er schadenfroh zu sagen. »Verfluchter Protestant. Er hat von Tuten und Blasen keine Ahnung.« Auch ihr Cousin Doyle kam jedes Mal aus Dublin, um die Walshs zu sehen. Vor der Umsiedlung hatte ihm Orlando hundert Pfund zur Verwahrung gegeben. Zum Glück mussten sie selten darauf zurückgreifen. Und Doyle brachte Neuigkeiten aus der Hauptstadt mit. Oft betrafen sie die jüngsten Entwicklungen in den Dubliner Kirchen.
Bei ihrer dritten Rückkehr nach Fingal erfuhren die Walshs, dass Doktor Pincher gestorben war. Pinchers Neffe Captain Budge hatte die Pacht übernommen. Doch die Umstände seines Todes waren etwas ungewöhnlich gewesen. Der Pächter, der ihnen den Pachtzins gab, erzählte ihnen davon. »Kurz bevor es zu Ende ging, phantasierte er. Er schrie, dass er von einem Mann mit einem Schwert angegriffen werde. Und als sie später kamen, um den Leichnam anzukleiden, was entdeckten sie da? Eine Narbe. Schräg über den Rücken, von der Schulter bis runter zu den Rippen. An seinen Worten muss also etwas dran gewesen sein. Dann kam Captain Budge, und sie erzählten ihm davon. Er blickte eine Weile nachdenklich drein, bevor er sagte: ›Das war bei der Rebellion 1641. Es waren die Katholiken, die meinen lieben Onkel angegriffen haben. Er hatte Glück, dass sie ihn nicht zum Märtyrer machten.‹ Glauben Sie, dass das stimmt?«
»Ich habe nie davon gehört«, antwortete Orlando.
Bevor Donatus und sein Vater aus Fingal wieder abreisten, pflegten sie immer zu dem heiligen Brunnen in Portmarnock zu reiten, um dort gemeinsam zu beten. »Ich tue es«, erinnerte ihn Orlando stets, »so wie es mein Vater vor mir getan hat.« Und wenn sie dort waren, sagte er immer: »Es tut mir leid, Donatus, dass du mit ansehen musst, wie tief dein Vater gesunken ist. Aber wir dürfen den Glauben nicht verlieren. Es war eine Gnade Gottes, dass er dich uns nach so vielen Jahren des Wartens zum Geschenk gemacht hat. Und zu gegebener Zeit, wenn wir die Prüfung bestanden haben, wird er uns wieder nach Hause holen, wenn es sein Wille ist.«
Und so war es am Ende auch gekommen. Gott hatte sie nach Hause geholt.
Die Erlösung kam aus England. Denn während Cromwell Irland mit Erfolg unter ein koloniales Joch gezwungen hatte, lagen die Dinge drüben in England ganz anders. Bei aller militärischen Macht war es Cromwell nicht gelungen, die von ihm beseitigte Monarchie durch eine zufrieden stellende Regierungsform zu ersetzen. Parlamentsherrschaft, ein Protektorat, in dem er selbst
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