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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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genau dieser Weise zugetragen haben.« Doch das war unwichtig. Wichtig war nur der Inhalt. Denn der Stab, um den es ging, war der Bischofsstab des heiligen Patrick.
    Der Bachall Iosa: die heiligste Reliquie in Irland. Natürlich kannte Maurice die Geschichte von seiner Zerstörung. Anno 1538, als König Heinrich Viii., dieser ketzerische Unhold, befohlen hatte, alle Reliquien in Irland zu verbrennen, war der Bischofsstab des heiligen Patrick, den der Heilige über ein Jahrtausend zuvor in Händen gehalten hatte, aus der Christ-Church-Kathedrale geholt und mitten in Dublin öffentlich verbrannt worden. Ein größerer Frevel, eine größere Beleidigung Irlands war nicht vorstellbar. Die verbrecherische Tat war nie vergessen worden. Der Bischofsstab war verloren.
    Oder doch nicht? Seit jener Zeit war immer wieder das Gerücht aufgekommen, dass der Stab möglicherweise gerettet worden sei. Etwa zwanzig Jahre nach der Verbrennung war gemunkelt worden, er existiere noch. Danach war es vorübergehend still um ihn geworden. Maurice hatte das Ganze stets für eine Legende halten, für mehr nicht. Dann, vor drei Jahren, hatte in Dublin die Geschichte die Runde gemacht, dass der Bischofsstab in der Grafschaft Meath wieder aufgetaucht sei. Aber Maurice war nie einem Menschen begegnet, der ihn tatsächlich mit eigenen Augen gesehen hatte.
    Der Bericht Master MacGowans besagte etwas anderes. An jenem schrecklichen Tag, als die Soldaten ganze Wagenladungen heiliger Gegenstände zum Feuer karrten, war er in die Kathedrale gelaufen. Er sah, dass man den Bischofsstab bereits aus seinem Behältnis genommen hatte, und als die Vandalen des Königs einen Augenblick abgelenkt waren, bemächtigte er sich des Stabs und flüchtete. Er versteckte ihn in seinem bescheidenen Haus. Tags darauf verließ er zusammen mit Ratsherr Doyle unauffällig die Stadt und brachte den Stab zu einer frommen, »den Mitgliedern dieser Gilde bekannten« Familie in Kildare. Der Name wurde nicht genannt. Dafür war die Angelegenheit zu geheim. Maurice vermutete, dass es sich um eine der alten Familien handelte, aus denen viele Klostervorsteher und Priester hervorgegangen waren und die teilweise schon zu Lebzeiten des Heiligen im Dienst der Kirche gestanden hatten.
    Die Aussage war von Ratsherr Doyle eidlich bezeugt. An ihrer Echtheit konnte kein Zweifel bestehen. Und während Maurice das Dokument in Händen hielt und über die Tragweite seiner Entdeckung nachsann, begann er zu zittern.
    Die späteren Berichte über ein Auftauchen des Stabes entsprachen offensichtlich der Wahrheit. Eine der bedeutendsten Reliquien der Christenheit wurde mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwo im Umkreis von vierzig Meilen um Dublin aufbewahrt. Und damit nicht genug: Für die verletzten und gedemütigten Katholiken Irlands war der Stab ein religiöses und nationales Symbol, ein Gegenstand des Stolzes, der Verehrung und der Erbauung, der nur darauf wartete, in ihrer Mitte hochgehalten zu werden. Und wenn der Stab jetzt den Menschen gezeigt wurde und ihre ketzerischen Herrscher zu behaupten wagten, es handele sich um eine Fälschung, so hielt er hier in seinen Händen den sprechenden Beweis für seine Echtheit.
    Dass er in einer Zeit wie dieser ein solches Dokument gefunden hatte, war ein Zeichen des Himmels. Er sprach rasch ein Gebet.
    Als Nächstes musste er überlegen, was zu tun war. Vorläufig war es wohl das Beste, die Angelegenheit geheim zu halten. Das Dokument war von unschätzbarem Wert, für die katholische Sache wie auch für ihre Feinde. Aber niemand wusste von seiner Existenz. In der Truhe war es sicher aufgehoben. Doch er musste jemanden einweihen. Jemanden, dem er vertrauen konnte. Und er würde auch Hilfe brauchen. Er musste nicht lange überlegen. Wessen Familie war fester im Glauben und verschwiegener als die seines Cousins Donatus Walsh? Noch am selben Nachmittag schrieb er einen kurzen und sorgsam formulierten Brief. Er nannte keine Einzelheiten, sondern teilte seinem Cousin lediglich mit, dass er ihn in einer hochwichtigen Angelegenheit, den Glauben betreffend, sprechen müsse, und bat ihn dringend, sich in drei Tagen, am Sonntag, vor dem alten Stadthaus in Dublin mit ihm zu treffen. Dann gab er den Brief einem Knecht. Wenn der Mann sofort losritt, konnte er bei Einbruch der Dunkelheit in Dublin sein und den Brief am nächsten Morgen in dem Haus in Fingal abliefern. Der Zeitpunkt für das Treffen in Dublin konnte nicht günstiger gewählt sein. Sie würden ohnehin

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