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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Tara regieren. Und obwohl Orlando ein Altengländer war, hatte ihn diese Vision einer erneuten Herrschaft der alteingesessenen Iren nicht mit Schrecken erfüllt, sondern mit ehrfürchtiger Aufregung. O’Donnell war der mächtigste irische Prinz in Donegal. Der Norden und der Nordwesten waren die letzten Überreste der uralten Clangebiete gewesen, und nun waren ihre Herrscher Tyrone und Tyrconnell, die letzten Prinzen von Irland, geflohen.
    »Und warum?«
    »Warum?«, antwortete Doyle mit einem Achselzucken. »In Dublin munkelt man, O’Donnell habe sich mit dem spanischen König verbündet, genau wie Tyrone damals. Und schließlich habe er davon Wind bekommen, dass die Regierung von seinen Plänen wusste. Also rannte er fort, solange er noch konnte.«
    »Aber Tyrone ging es doch gut. Sie haben ihm sogar einen Teil seines Besitzes, seines Territoriums gelassen. Er hatte doch keinen Grund zur Flucht.«
    »Ich bin ganz deiner Meinung. Aber Tyrone sieht das anders. Die englischen Beamten beginnen sich für Ulster zu interessieren. Und keiner wird glauben, dass er nichts mit O’Donnell und dem spanischen König zu tun hatte.« Er seufzte. »Außerdem ist ein irischer Prinz einfach nicht für die Zeiten geschaffen, in denen wir leben. Er wird sich nie zum Diener des Königs machen.«
    »Als Earl of Tyrone ist man ja wohl kaum ein Diener.«
    »Ihm kommt es aber so vor. Die Iren sind frei, Martin. Gut, sie haben ihre Clans und Stämme, die Positionen ihrer Familien sind nach uraltem irischem Erbrecht geregelt. Aber sie haben einen unabhängigen Geist. Und ihre Prinzen müssen sich nur vor sich selbst verantworten. Tyrone wird nie einem aufgeblasenen, kleinen englischen Beamten gehorchen, der nur eine vorübergehende Stellung innehat – und den Tyrone sowieso für einen Ketzer hält. Der Mann ist dafür nicht geschaffen.«
    »Also ist er ausgeflogen.«
    »Wie ein Vogel. Wie ein Adler, sollte ich sagen.«
    »Was hat er jetzt vor?«
    »Durch Europa streifen. Einen katholischen Prinzen suchen, dem er dienen kann, ohne seinen Namen oder seine Religion zu entehren. Seine Truppen kommandieren. Du darfst nicht vergessen, dass er diese katholischen Könige und ihre Armeen bereits kennt. Sie werden ihn gerne aufnehmen.«
    »Das stimmt«, nickte Walsh und seufzte. »Bitte sei heute Abend mein Gast. Iss und trink mit mir.«
    Doyle lächelte.
    »Das hatte ich vor.«
    Sie aßen in der geräumigen Wohnhalle des Hauses früh zu Abend, und Orlando konnte die beiden Männer während ihrer Unterhaltung beobachten. Seinen ruhigen, würdevollen Vater und den dunklen, kleineren und temperamentvolleren Doyle. Während des Essens drehte sich das Gespräch natürlich um die politischen Auswirkungen, die Tyrones Flucht nach sich ziehen würde.
    »Zweifellos wird die Regierung sofort den ganzen Besitz des Grafen konfiszieren«, merkte Walsh an. »Gesetzlich wäre das durchaus machbar.«
    »Ich habe den Verdacht, sie werden den Norden besiedeln. Heute ist ein Freudentag für alle Männer, die sich ein Stück Land zu guten Bedingungen unter den Nagel reißen wollen«, sagte Doyle. Aber der Gedanke schien ihm persönlich nicht viel Freude zu bereiten.
    Nach dem Essen blieben die beiden Männer am Tisch sitzen und tranken einträchtig zusammen. Obwohl Orlando wusste, dass er nicht an dem Gespräch teilnehmen durfte, blieb er einfach leise vor dem großen offenen Kamin am Ende der Wohnhalle sitzen, wo die Männer seine Gegenwart zu vergessen schienen. Auch wenn sie nur wenig sprachen – und er das meiste, was sie sagten, ohnehin nicht verstand –, wollte er an diesem wichtigen Tag trotzdem bei seinem Vater und seinem Cousin sein. Aufmerksam beobachtete er die beiden. Und trotz seiner Jugend spürte er, was sie empfanden. Er saugte es in sich auf, und er würde es nie vergessen.
    Eines war sicher. Für die beiden Männer war der Abend voller Melancholie und beide teilten das Gefühl eines Verlustes. Doyle, Nachkomme von Wikingern und Generationen Dubliner Kaufleute, dem Namen nach Protestant – oder zumindest Anhänger der Kirche von Irland –, und sein Cousin Walsh, ein katholischer Grundbesitzer, dessen Familie seit fast fünfhundert Jahren eine Stütze der altenglischen Gentry war. Zwei Männer im Herzen des English Pale. Und doch auch zwei Iren, für die die Flucht von Tyrone und Tyrconnell einen persönlichen Schlag bedeutete. Emotional standen beide dem altirischen Prinzen näher als jedem Engländer, der aus London hergeschickt wurde.
    »Die

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