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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Flucht der Grafen«, sagte Doyle nachdenklich. »Ein Zeitalter geht zu Ende.«
    »Möge Gott ihnen mehr Glück schenken«, sagte Walsh und erhob seinen Weinkelch.
    »Darauf trinke ich«, antwortete Doyle.
    Der junge Orlando sah schweigend zu und verstand, dass sich die Welt, in der er lebte, aus noch nicht klar umrissenen Gründen für immer verändert hatte.
    Am folgenden Morgen rief der Vater Orlando zu sich, nachdem Doyle sich verabschiedet hatte. »Du kommst mit mir«, eröffnete er ihm, und als Orlando fragte, wohin es gehen solle, antwortete er nur: »Portmarnock.«
    Das kleine Küstendorf Portmarnock lag an der Straße, die durch Dünen und Strände vom Rand der uralten Ebene der Vogelscharen nach Süden verlief. Orlando machte sich gleich daran, sein Pony zu satteln, aber sein Vater wehrte ab: »Nein, wir laufen.«
    Eine leichte Brise wehte. Wolken zogen über den Himmel, der zwischen Blau und Grau changierte. Orlando ging zufrieden mit seinem Vater nach Osten in Richtung Portmarnock. Sie liefen Seite an Seite und sprachen nur wenig und selten. Als sie ihren eigenen Besitz verließen, passierten sie die verlassene Kapelle, in der Orlando auf Patrick Smith gewartet hatte. »Es ist eine Schande, dass uns unsere eigene Regierung verbietet, sie zu benutzen«, sagte sein Vater.
    Während ihres Spaziergangs stießen sie überall auf die Spuren der mittelalterlichen Besatzung durch die Altengländer: Weizen- und Gerstefelder, hohe, dunkle Hecken, verstreut liegende alte Steinkirchen oder befestigte Häuser. Aber bald erreichten sie weit weniger geordnetes Terrain, auf dem Rinder grasten. Dies war die offene, zur See abfallende Ebene, die noch genauso kahl war wie damals, als Doyles Vorfahr Harold der Wikinger und seinesgleichen ihre nordischen Bauernhöfe auf der Ebene von Fingal errichtet hatten.
    Nach weniger als einer Stunde erreichten sie ihr Ziel. Es war viel älter als alles in seiner Umgebung. Es stand einsam, abseits des kleinen Fischerdorfes.
    »Dein Bruder heißt diesen Ort nicht gut«, sagte Walsh und verzog leicht das Gesicht. »Genauso wenig heißt er gut, dass ich hierhin gehe.« Orlando erlebte zum ersten Mal, dass sein Vater die Spannung ansprach, die zwischen ihm und Lawrence herrschte. »Aber gelegentlich bete ich hier allein.«
    Der Anblick war nicht sonderlich beeindruckend: ein alter Brunnen, von einer niedrigen Steinmauer umschlossen. Irgendwann hatte man ein konisch zulaufendes Steindach darüber errichtet, das aber inzwischen verfallen war. Der Brunnen war ziemlich tief, aber als Orlando sich über die Brüstung lehnte, konnte er tief unten den weichen Schimmer des Wassers sehen. Er wusste nicht warum – vielleicht lag es an der einsamen Lage –, aber irgendwie erschien ihm das Wasser in der Tiefe seltsam und geheimnisvoll, ganz anders als das Wasser des Brunnens vor ihrem eigenen Haus. Was verbarg es? Vielleicht das prächtig glänzende Tor zu einer anderen Welt?
    »Der Brunnen ist St. Marnock geweiht«, sagte sein Vater leise. »Dein Bruder Lawrence behauptet, früher sei es ein heidnischer Brunnen gewesen. Vor St. Patricks Ankunft wahrscheinlich. Er hält solche Dinge für Aberglauben, die wahren Gläubigen nicht würdig sind.« Er seufzte. »Vielleicht hat er Recht. Aber ich mag die alten Bräuche, Orlando. Wenn ich Sorgen habe, dann komme ich hierher und bete zum heiligen Marnock. Genau wie die einfachen Leute hier.«
    St. Marnock. Einer der unzähligen Heiligen der Gegend, die außerhalb ihres kleinen Einflussgebietes beinahe vergessen waren. Oft hatten sie aber noch ihren eigenen Feiertag, und es gab einen Brunnen oder eine heilige Stätte, an denen ihrer gedacht wurde. »Ich mag die alten Bräuche auch«, sagte Orlando, der sich jetzt seinem Vater sehr nahe fühlte.
    »Dann kannst du ein Gebet für deine Schwester sprechen und den Heiligen bitten, sie zu leiten.« Walsh umrundete den Brunnen, fiel auf der anderen Seite auf die Knie und versank eine Zeit lang in ein stummes Gebet. Orlando, der sich auch niedergekniet hatte, erhob sich erst wieder, als sein Vater dies tat. Dieser ging um den Brunnen herum und legte ihm zu seiner Überraschung den Arm um die Schulter.
    »Orlando«, sagte er leise. »Versprichst du mir etwas?«
    »Ja, Vater.«
    »Versprich mir, dass du eines Tages heiratest und Kinder bekommst – dass du mir Enkel schenken wirst.«
    »Ja, Vater, das verspreche ich. Wenn es Gottes Wille ist.«
    »Hoffen wir, dass es Gott gefällt.« Er schwieg einen Moment. »Schwöre

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