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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Familienmitglieder und wichtigen Personen des gesamten Gebietes darin überein, dass sein ältester Sohn ein Versager war. Der Clan hatte den drittältesten von Seamus vier Söhnen als Nachfolger bestimmt, einen prächtigen Kerl. Der nach irischem Gesetz und Brauchtum folglich Rathconan und die ein wenig undurchsichtige Clanherrschaft, die es repräsentierte, erhielt. Brian O’Byrne war der Enkel dieses prächtigen Kerls. Tadgh O’Byrne war der Enkel des Versagers.
    Die Totenwache wurde für Brians Vater abgehalten. Aus ganz Wicklow und aus noch weiter entfernten Gegenden waren Gäste angereist: O’Tooles und O’Mores, MacMurroughs und O’Kellys. Und natürlich O’Byrnes. O’Byrnes von den Downs, O’Byrnes aus Kiltimon, O’Byrnes aus Ballinacor und Knockrath; O’Byrnes aus den ganzen Wicklow-Bergen. Alle waren gekommen, um Toirdhealbhach O’Byrne von Rathconan die letzte Ehre zu erweisen und seinen gut aussehenden jungen Sohn Brian als Erben zu begrüßen. Und kaum einer nahm auch nur die geringste Notiz von Tadgh O’Byrne. Denn alle waren sich einig, dass er nichts taugte.
    »Schau dir das an.« Tadgh starrte so voller Verbitterung auf den jungen Brian O’Byrne, dass er nicht einmal darauf achtete, ob seine Frau ihm überhaupt noch zuhörte. Es war ihm auch egal. »Dieser Weichling schläft doch im Federbett«, höhnte er.
    Brian O’Byrne war zwanzig Jahre alt, recht groß, hellhaarig und gut aussehend. Aber Tadgh O’Byrne erfüllte nur sein eigener Anblick mit Stolz. Er war inzwischen vierunddreißig. Sein dunkles Haar fiel ihm traditionell irisch frisiert in dicken Locken auf die Schultern. Für den besonderen Anlass hatte er sein übliches, safranfarbenes Leinenhemd gegen ein weißes ausgetauscht und trug einen Gürtel um die Taille. Um die Schultern hatte er einen hellen Wollumhang gelegt. Viele der anderen Männer hatten dunkle Jacken angezogen, um dem ernsten Anlass gerecht zu werden, aber Tadgh hielt nichts von Jacken. Viele trugen enge Hosen im Schottenkaro oder Wollstrümpfe, aber da es ein warmer Tag war, blieben Tadghs Beine unbedeckt. Seine Füße steckten in derben Straßenschuhen. Er sah aus wie ein Schafhirte.
    Und da stand sein Cousin, der junge Clanführer, der Erbe von Rathconan, das doch eigentlich ihm, Tadgh, zugestanden hätte. Brian, dessen helles Haar kurz geschnitten war, der ein schwarzes, besticktes Wams und passende Kniehosen trug, dessen Beine in Seidenstrümpfen und dessen Füße in feinen Lederschuhen steckten. Er trug sogar einen goldenen Ring. Sein Aussehen gab seinem Blutsverwandten Tadgh den Anlass, auf den Boden zu spucken und »Engländer« zu murmeln. »Verräter.«
    Das war ein bisschen ungerecht. Solche Kleider trugen Edelmänner in den unterschiedlichsten Teilen Europas, auch im bevorzugten Staat der alteingesessenen Iren, dem allerkatholischsten Königreich Spanien. Und viele wohlhabende und respektable irische Gentlemen bei der Totenwache trugen ganz ähnliche Kleidung. Ob sie sich dabei allgemein nach dem richteten, was in England, Frankreich und Spanien gerade Mode war, oder sich durch ihr Aussehen bei den englischen Verwaltungsbeamten in Dublin beliebt machen wollten, ließ sich nur schwer sagen. Sicher war jedoch, dass die englischen Verwaltungsbeamten nicht angenommen hätten, dass englische Manieren eine freundliche Einstellung der englischen Krone gegenüber bedeuteten. »Manche dieser verfluchten irischen Rebellen zur Zeit Königin Elisabeths hatten sogar in Oxford studiert!«, erinnerten sie sich angeekelt. Aber solche Feinheiten waren an Tadgh verschwendet. »Engländer!«, zischte er. Und ihn beherrschte nur ein einziger Gedanke: Eines Tages werde ich diesen Brian zu Fall bringen.
    ***
    Es war eine beachtliche Versammlung. Der junge Brian war zu Recht stolz. Nicht nur darauf, dass so viele wichtige Männer von nah und fern gekommen waren, um seinem Vater die letzte Ehre zu erweisen, sondern dass sie ihn so offensichtlich gemocht und geschätzt hatten. Er empfand große Zuneigung für sie alle. Am stärksten aber beeindruckte ihn das Gut Rathconan. Hier schien die Zeit seit den Tagen seines Großvaters Sean vor einem Jahrhundert stehen geblieben zu sein. Das bescheidene Haus mit dem quadratischen Turm, dem man seine Jahre ansah, blickte von den Abhängen der Wicklow-Berge hinaus aufs Meer, das in der Ferne blau schimmerte. Die zusammengewürfelten Bauernhöfe, die in der Nähe lagen, waren unverändert geblieben, genau wie die kleine Steinkapelle, in

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