Die Rebellen von Irland
bedeckt. Er verschwand wortlos in seiner Hütte und tauchte erst am folgenden Tag wieder auf. Als Deirdre ihn nach Conall fragte, antwortete er nur mit einem gehetzten Blick: »Conall geht es gut, Deirdre, aber mir nicht.« Mehr wollte er nicht sagen. Ihrem Großvater aber gestand er einige Zeit später: »Ich habe mich in Dublin furchtbar aufgeführt und meinen Sohn vor seinen Freunden beschämt. Dann habe ich noch mit ihm gestritten.« Er hatte stumm den Kopf geschüttelt und in seinen Augen hatten Tränen gestanden. »Vielleicht hatte Budge doch Recht, meinen Sohn wegzuschicken.«
»Mach den Schaden wieder gut«, hatte O’Toole ihm geraten. »Hör auf zu trinken, fahr nach Dublin und versöhne dich mit deinem Sohn.« Garret hatte zwar genickt, den Rat aber nicht befolgt. Er kränkelte auch im Jahr darauf und wagte es überhaupt nicht mehr, nach Dublin zu fahren. Noch ein Jahr später konnte er seine Hütte nicht mehr verlassen.
Deirdre hatte sich die ganze Zeit über gefragt, was aus ihr werden sollte. Während Conall in Dublin war, wuchs sie zu einer jungen Frau heran. Einige junge O’Byrnes und Brennans machten ihr den Hof, doch sie zeigte nicht das geringste Interesse an ihnen. Sollte sie sich in Wicklow als Magd verdingen? Oder in Dublin? In Dublin würde sie wahrscheinlich Conall begegnen. Sie fragte ihren Großvater um Rat.
»Du wärst in Dublin nicht glücklich«, sagte er. »Die Berge würden dir fehlen. Du würdest täglich auf der Straße stehen und zu ihnen hinaufsehen. Sie scheinen zum Berühren nah und doch wären sie und alles, was dir lieb und teuer ist, für dich unerreichbar.«
»Vielleicht wäre ich ja nicht allein«, wagte Deirdre zu sagen. »Conall würde sich um mich kümmern.«
»Rechne nicht auf ihn.« Ihr Großvater hatte geseufzt. »Er war dein Kindheitsfreund, Deirdre, aber das ist lange her, und die Menschen ändern sich.«
Doch als im folgenden Jahr Garret nach dreiwöchigem Besäufnis im Sterben lag, hatte Deirdres Großvater Conall in einem Brief nach Rathconan bestellt.
Er war einen halben Tag zu spät eingetroffen. Deirdre hatte ihn schon von Ferne gesehen, wie er den Bergpfad heraufgestiegen kam, ein schlanker, gut aussehender junger Mann, der beherzt ausschritt. Dann hatte er sie auch gesehen und ihr Herz hatte einen Schlag ausgesetzt. Sie ließ ihn herankommen.
»Ich habe eine traurige Nachricht für dich, Conall. Dein Vater ist tot.«
Er nickte, als hätte er es erwartet. Zusammen kehrten sie nach Rathconan zurück.
Seltsam, dass es nach so vielen Jahren ganz natürlich schien, neben Conall zu gehen, als ob sie nie getrennt gewesen wären. Ob er genauso empfand? Deirdre hätte es gern gewusst.
Bei der Totenwache herrschte gedrückte Stimmung. Deirdre und ihr Großvater halfen Conall bei den Vorbereitungen. Alle Einwohner Rathconans kamen. Sogar Budge und seine Frau erschienen für kurze Zeit und erwiesen dem Toten ihre Reverenz. Den Priester begrüßten sie höflich. Bevor sie gingen, nahm Budge Conall zur Seite. Deirdre stand in der Nähe und hörte, was sie sagten.
»Dein Vater starb als Katholik«, sagte Budge leise. »Darf ich fragen, welcher Kirche du inzwischen angehörst?«
»Sir«, erwiderte Conall höflich, »ich bin, wie Sie wissen, in Dublin in die Schule der Kirche von Irland gegangen, deshalb besuchte ich auch den Gottesdienst dieser Kirche. Viele meiner Dubliner Freunde sind Protestanten. Dagegen sind diese lieben Menschen hier in Rathconan, darunter meine vielen Cousins und Cousinen, Katholiken. Um die Wahrheit zu sagen, hänge ich in Glaubensdingen keiner bestimmten Meinung an.«
»Aha.« In Rathconan selbst gab es keine Kirche, doch besuchten Budge und seine Familie von Zeit zu Zeit eine einige Meilen entfernte Kirche, um ihre Verbundenheit zu zeigen. Budge war ein überzeugter Anhänger der Kirche von Irland, doch hätte man ihn nicht fromm nennen können. Dem vorsichtigen Blick nach zu schließen, mit dem er Conall jetzt musterte, schien er mit dessen Antwort zufrieden.
Deirdre hatte Conall seit seiner Rückkehr kaum aus den Augen gelassen. Sie merkte schnell, dass die Jahre in Dublin ihn verändert hatten. Der Conall, den sie kannte und liebte, war zwar immer noch da, davon war sie überzeugt, doch strahlte der junge Mann eine Ruhe, Selbstsicherheit und Würde aus, die Deirdre viel mehr an ihren Großvater als an seinen Vater erinnerte. Zudem hatte Conall, wie sich zeigte, gelernt, dieses Selbstvertrauen mit höflichen Umgangsformen zu
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