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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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und du warst doch oft mit ihm zusammen. Stundenlang habt ihr jede Woche zusammen gelesen.« Finn sprach das Wort »gelesen« aus, als handle es sich um etwas Anrüchiges. »Nein, Conall, nur du warst gut genug, ihm dabei Gesellschaft zu leisten.«
    Es wäre Conall nie eingefallen, dass seine Abende mit dem Alten Finn O’Byrne kränken könnten, doch offenbar war es so gewesen.
    »Er hätte bestimmt nichts dagegen gehabt, wenn du uns Gesellschaft geleistet hättest«, sagte er. Das war natürlich gelogen, aber aus Höflichkeit.
    »Ha! Finn O’Byrne zusammen mit dem Alten und seinem Liebling. Dem ganz besonderen Kind, dem Fürsten, wie wir dich nannten, als wir zu ihm in die Schule gingen. Bis du dann gehen musstest.« Er grinste hämisch. »Wegen deines Vaters. Hat ja auch viel gelesen, heißt es.«
    Es war schwer zu sagen, was Conall mehr erschreckte – dass dieser Mensch ihn so sehr verabscheute oder dass er davon all die Jahre keine Ahnung gehabt hatte. Er erinnerte sich noch gut an ihre gemeinsame Schulzeit. Finn war kein guter Schüler gewesen, wenn auch vielleicht ein wenig besser als die Brennans. Und jetzt hatten der Tod des alten O’Toole und zweifellos ein kleiner Schluck aus der Flasche seine aus der Kindheit herrührende Missgunst zu Tage gefördert. Conall musste Finn allerdings unbewusst mit Widerwillen angesehen haben, denn dieser rief plötzlich bitter: »Ah, seht euch sein Gesicht an. Er hält sich für etwas Besseres.«
    »Hast du keinen Respekt vor den Toten, Finn?«, fragte Conall beherrscht und schickte sich an zu gehen.
    »Geh nur.« Finn verneigte sich spöttisch. »Der große Conall Smith redet nur mit seinesgleichen.« Er spuckte aus. »Respekt vor den Toten. Auch vor deinem Vater?«
    Das war zu viel.
    »Du warst schon damals ein Dummkopf, Finn O’Byrne, und bist es heute noch«, rief Conall wütend. »Das musst du mir nicht erst beweisen, ich weiß es schon.« Damit ging er.
    Einige Tage später erzählte er Deirdre von dem Vorfall. Finn dagegen sprach nie davon, sie nahmen deshalb an, dass er ihn vergessen hatte.
    Einige Monate lang hatte Conall aushilfsweise unterrichtet, während nach einem Nachfolger gesucht wurde. Nur den Katechismusunterricht wollte er nicht selbst erteilen, sondern ließ dafür den Priester aus dem Tal kommen. Nach einiger Zeit übernahm ein älterer Mann aus Wicklow den Unterricht und Conall wandte sich wieder seiner Tischlerei zu. Er war überzeugt, dass Budge von seiner Tätigkeit als Lehrer wusste, doch der Gutsherr sagte nie etwas.
    Das war vor zwanzig Jahren gewesen. Seit damals hatte Friede in Rathconan geherrscht. Nur wenig hatte sich geändert, ungeachtet der Vorgänge, die sich im Rest der Welt abspielten.
    Etwas hatte sich allerdings doch geändert, zwar ganz allmählich, aber doch bemerkbar. Deirdres Großvater hatte gelegentlich eine Bemerkung darüber gemacht, als er schon älter war, und in den zwanzig Jahren seit seinem Tod fiel es Deirdre zunehmend auf.
    Die Bevölkerung von Rathconan wuchs.
    Deirdre hatte sieben Kinder, Budge und seine Frau hatten drei Töchter und zwei Söhne, und so war es auch in den anderen Familien. Doch in der Vergangenheit waren die Kinder als Erwachsene oft weggezogen. Doch jetzt übernahm nicht mehr der älteste Sohn den elterlichen Besitz, sondern mehrere Kinder, welche die Felder unter sich aufteilten. Dadurch wuchs die Bevölkerung des Dorfes. Und es stand zu erwarten, dass in wenigen Jahren einer der Brennans seinen Besitz erneut aufteilen würde. In der Vergangenheit hatten solche kleinen Parzellen keine Familie ernähren können. Jetzt hatte sich das geändert. Der Grund dafür lag auf der Hand.
    »Dafür, dass meine Verwandtschaft so rasch wächst, haben wir der Kartoffel zu danken«, bemerkte Conall trocken.
    Alle Einwohner Rathconans bauten inzwischen Kartoffeln an. Budge hatte zwei große Kartoffelfelder. Die Brennans bauten zwar auch noch andere Feldfrüchte an und ließen ihre Schafe und wenigen Rinder an den Berghängen weiden, doch bestellten sie den größten Teil ihrer Parzellen mit Kartoffeln. Die Knolle aus der Neuen Welt war so nahrhaft, dass man sich ausschließlich von ihr ernähren konnte, ohne davon Schaden zu nehmen. Und nicht nur das, die Kartoffel war ungeheuer ergiebig: Vom Ertrag eines einzigen kleinen Feldes konnte eine ganze Familie leben. In Rathconan lebten inzwischen doppelt so viele Brennans wie zu Deirdres Kindheit, und sie hätten ihre Felder noch einige Male teilen können, ohne

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