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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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außerhalb des Unterrichts wie Sklaven behandelt. Wer sich wehrte, bekam Prügel. Und der Unterricht …« Er schüttelte den Kopf.
    »War anstrengend?«
    »Anstrengend? Von wegen. Lächerlich war er. Die protestantischen Jungen wussten so viel weniger als wir. Ich habe bei deinem Großvater mehr gelernt als sie in ihrer ganzen Schulzeit.«
    »Sind alle Protestanten so ungebildet?«
    »Das würde ich nicht sagen. Aus Trinity College sind schon berühmte Gelehrte hervorgegangen. Aber an einer Armenschule wie meiner haben katholische Kinder keine Chance. Deshalb habe ich die Schule so bald wie möglich verlassen und bin Tischler geworden.«
    »Hast du mit deinem Vater darüber gesprochen?«
    »Nein.« Conall schwieg einen Augenblick. »Was für einen Sinn hätte das gehabt? Der Arme hatte genug Probleme.«
    Er sprach nie von dem Streit zwischen seinem Vater und ihm, und Deirdre fragte ihn auch nicht danach. Doch schien er über das traurige Ende seines Vaters zutiefst bekümmert und beschämt, genauso wie er entschlossen schien zu beweisen, dass er anders war als sein Vater. »Ich erinnere mich noch an ihn, als ich klein war«, sagte er einmal. »Ich wünschte, er wäre so geblieben, wie er damals war, und hätte seine Enkel noch erlebt.«
    An Enkeln mangelte es nicht. Deirdre hatte über die Jahre ein Dutzend Kinder geboren. Einige davon waren Krankheiten oder Unfällen zum Opfer gefallen, doch sieben waren zu starken, gesunden Männern und Frauen herangewachsen.
    Deirdre und Conall hatten ihre Entscheidung, ihre Kinder droben in Rathconan aufzuziehen, nie bereut. Hier hatten sie ihre eigene Kindheit verbracht, hier lebte Deirdres Großvater, den sie beide liebten, und, am wichtigsten, hier waren sie und ihre Kinder von der großartigen Bergwelt umgeben. Die Brennans waren, wie Deirdres Großvater ihnen versicherte, nicht dümmer und nicht gescheiter als in den vergangenen Generationen, und die O’Byrnes bildeten sich nach wie vor ein, Rathconan gehöre mit allem Drum und Dran von Rechts wegen ihnen, doch Deirdre und Conall waren zusammen mit ihnen aufgewachsen und sie gehörten wie die anderen Familien zur Landschaft.
    Wenn Deirdres Großvater Bedenken gegen Conall als Ehemann gehegt hatte, so begrub er sie schnell. Schon nach wenigen Monaten hatten die beiden zu einem freundschaftlichen Umgang miteinander gefunden, der die Jahre überdauern sollte. Einmal in der Woche verbrachten sie einen Abend zusammen. Natürlich wurde dabei auch das eine oder andere Glas getrunken, aber vor allem rezitierten sie Gedichte oder lasen zusammen Bücher – sodass Conall einmal lachend zu Deirdre sagte: »Gut, dass wir geheiratet haben. So kann ich die Schule doch noch abschließen.« Der Alte war hager geworden, doch sein Verstand war so wach wie immer, und er arbeitete weiter als Schulmeister des Dorfes und erzählte von Zeit zu Zeit auf einer ceili seine Geschichten oder trug Gedichte vor. Er wurde über achtzig und unterrichtete bis eine Woche vor seinem Tod.
    Seine Totenwache war ein denkwürdiges Ereignis. Zu seinen Ehren trafen Besucher aus fünf Grafschaften ein. Allerdings kam es dabei auch zu einem unangenehmen Zwischenfall.
    Verursacht wurde er durch Finn O’Byrne, der im Dorf noch nie eine große Rolle gespielt hatte. Etwa gleich alt wie Conall, hatte er bei der Aufzucht von Rindern einiges Geschick bewiesen. Außerdem hatte er auch eine ganze Schar Kinder in die Welt gesetzt. Doch obwohl er mit den Brennans verkehrte, hatten er und Conall einander nie viel zu sagen gehabt. Conall hatte ihm trotzdem einmal einen guten eichenen Stuhl geschreinert, und Finn hatte sich damit auch sehr zufrieden gezeigt. Deshalb rechnete Conall nicht mit Streit, als er Finn am langen Abend der Totenwache unsicher und offenbar schon etwas angetrunken auf sich zuschwanken sah – eine kleine Gestalt mit einer zotteligen Mähne schwarzer Haare, die ihm in verfilzten Locken bis auf die Schultern fiel.
    »Bestimmt wirst du der neue Schulmeister«, sagte Finn. »Gebildet, wie du bist.«
    In seinem Ton lag etwas unbestimmt Kränkendes, das Conall sich nicht erklären konnte.
    »Ich glaube nicht, Finn«, erwiderte er. »Ich habe zu viel anderes zu tun.« Zwar hatte er mit O’Toole in den vergangenen Jahren tatsächlich einige Male über die Möglichkeit gesprochen, ihm als Schulmeister nachzufolgen, doch verspürte er dazu keine rechte Neigung.
    »Er hätte gewollt, dass es in der Familie bleibt, Conall – schließlich ist Deirdre seine Enkelin,

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