Die Rebellen von Irland
William hätte die Freisassen nur gewähren lassen sollen. »Wenn ich ihm heute helfe, demütigt er mich morgen«, sagte er.
»Sie wollen Ihrem eigenen Sohn nicht helfen?«
»Nein.«
Georgiana wusste, was sie zu tun hatte. Der junge William musste vom Schauplatz entfernt werden. Man musste ihn fortschicken, notfalls entführen. Er durfte nicht vor Gericht aussagen. Brigid mochte für sich sprechen und hoffen, dass das Gericht ihr Glauben schenkte, doch der junge William würde nicht anwesend sein. Georgiana war zu ehrlich mit sich selbst, um die schreckliche Wahrheit zu verdrängen: Brigid war ihr Schützling und ihre Freundin, aber William war ihr Enkel. Sie musste Brigid opfern.
Doch wie sollte sie William aus der Gefahrenzone schaffen? Sie grübelte und grübelte, fand aber keine Lösung.
Zwei Tage nach ihrem unerfreulichen Gespräch suchte Hercules seine Mutter auf.
»Der Prozess gegen Brigid Smith wird erst in vielen Monaten stattfinden«, erklärte er. »Es wurden viele tausend Rebellen gefangen genommen, und das Kriegsgericht wird bis weit ins nächste Jahr hinein tagen. In der Zwischenzeit werde ich veranlassen, dass William England besucht. Er weiß nichts davon, aber man wird ihn dort über den Prozess hinaus festhalten.«
»Warum dieser Gesinnungswandel?«
»Arthur Budge hat mir einen Besuch abgestattet. Sein Bruder hat Brigid verhaftet. Er wäre froh, wenn William keine Aussage machte. Es könnte … unangenehm sein.«
»Sie helfen Ihrem Sohn also nur, damit die Regierenden und ihre Handlanger nicht in Verlegenheit kommen?«
»Ich halte es für die beste Lösung. Doch brauche ich dazu Ihre Hilfe. Sie sollen William dazu überreden, zusammen mit Ihnen London zu besuchen. Für dort werde ich entsprechende Vorbereitungen treffen.«
Georgiana blieb mit ihrem Enkel bis Mitte November in London. Danach nahm ein gefälliger Grundbesitzer William zu seinem abgelegenen Gut irgendwo auf dem Land mit. Sein Vater hatte ihm in einem Brief versichert, der Prozess gegen Brigid werde erst im Frühjahr stattfinden.
Er fand am Tag nach Georgianas Rückkehr nach Dublin statt.
Georgiana wäre gern hingegangen, um Brigid wenigstens zu sehen. Doch sie brachte es nicht fertig. Wie konnte sie der Frau ins Gesicht sehen, die sie soeben verraten hatte?
»Was wird aus ihr werden?«, fragte sie Hercules.
»Man hat ihr ein Angebot gemacht«, erwiderte der. »Bis jetzt beharrt sie darauf, unschuldig zu sein. Zwar würden die Richter ihr nicht gegen die Aussage der Freisassen glauben, doch könnte eine Verhandlung vor dem Kriegsgericht zu peinlichen Enthüllungen führen. Und als Schauspielerin hat sie in Dublin viele Verehrer. Deshalb soll das Verfahren möglichst abgekürzt werden. Man will Milde walten lassen. Wenn sie sich schuldig erklärt, wird sie nicht zum Tod verurteilt.«
»Gott sei gedankt.«
»Sie wird nach Australien deportiert.«
»Nach Australien? Die Strafkolonie? Selbst wenn sie die Reise überlebt, von der sie nie zurückkehren wird: Ist das nicht fast so schlimm wie ein Todesurteil?«
»Keineswegs. Das Klima ist ausgezeichnet, und an Gesellschaft wird es ihr dort unten nicht mangeln. Wir werden eine beträchtliche Anzahl Rebellen nach Australien deportieren.«
Georgiana lag das Schicksal von Brigids Kindern am Herzen. Sie waren schließlich auch Patricks Kinder. Georgiana wusste zwar, dass Brigids Bruder sie bei sich aufgenommen hatte, doch jetzt überlegte sie, ob sie als Wiedergutmachung an Brigid und um Patricks willen etwas für sie tun konnte. Doch sie erfuhr, dass Brigids Mutter Deirdre beim Prozess gewesen war und die Kinder auf Brigids ausdrückliche Bitte zu sich genommen hatte. Offenbar wollte Brigid, dass sie den Rest ihrer Kindheit nicht in Dublin, sondern oben in den Wicklow-Bergen verbrachten.
William entdeckte erst sechs Wochen später, dass man ihn getäuscht hatte. Er schrieb Georgiana einen bitteren Brief, in dem er allerdings ausschließlich seinem Vater die Schuld an der Intrige gab. Außerdem schrieb er:
* **
Ich habe beschlossen, vorerst nicht nach Irland zurückzukehren, sondern nach Paris zu reisen. Da ich kaum Geld bei mir habe, hoffe ich, dass Sie mir vielleicht etwas schicken werden. Mein Vater ist dazu gewiss nicht bereit.
***
Georgiana schickte ihrem Enkel schon am nächsten Tag hundert Pfund, doch böse Vorahnungen quälten sie. Was hatte William in Paris vor?
ROBERT EMMET
* 1799 *
Als Georgiana ihr Haus wieder für gesellige Anlässe öffnete, hatte sie
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