Die Rebellen von Irland
seinerseits an einen niederen Beamten der Burg weiterreichen würde. Doch sogar Finn merkte, dass der Earl hinter der hochmütigen Miene, die er wie jeder Adlige in Gegenwart eines Niemand wie Finn aufsetzte, in Wirklichkeit sehr erfreut war, ihn zu sehen.
Die Union hatte Hercules’ Hoffnungen nicht ganz erfüllt. Zugegeben, er trug jetzt einen vornehmen Titel und die Katholiken hatten keine neuen Rechte erlangt. Beides erfüllte ihn mit Zufriedenheit. Vom Leben in London war er dagegen enttäuscht. Natürlich hatte er vorher gewusst, dass sein politischer Einfluss dort wenig zählte. Schließlich war er im Parlament nur einer von wenigen irischen Adligen. Nicht vorhergesehen hatte er, dass auch sein gesellschaftlicher Rang darunter leiden würde. Der Verlust war zwar gering, wahrnehmbar nur für Mitglieder seiner eigenen Schicht – und die höheren Diener. Doch Tatsache war, dass in der feinen Gesellschaft Londons ein irischer Adliger weniger galt als ein englischer Lord, auch wenn er Earl war und einen Sitz im britischen Oberhaus hatte. Sein Vermögen war zwar groß, nahm sich aber im Vergleich mit den Vermögen der berühmten englischen Adligen klein aus. Das behagte ihm überhaupt nicht.
Zwar wollte er ein Haus in London mieten, doch gedachte er einen großen Teil der Zeit in Dublin zu verbringen, wo er, wie er ganz offen zugab, zwar verhasst, aber wichtig war.
Den Spitzel, den Budge ihm schickte, konnte er dabei gut gebrauchen.
Denn Irland mochte zwar den Schutz des vereinigten Königreichs genießen, doch hieß das nicht, dass die Insel sicher war. Kein Land in Europa war sicher. Frankreich stand überall bei den Unterdrückten für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, und Napoleon Bonaparte galt als Held. Sogar große Maler und Komponisten wie Beethoven verehrten ihn. Und das war in Irland nicht anders. »Der gemeine Bauer in Connacht glaubt, dass Bonaparte ihn befreien wird«, bemerkte Hercules zuweilen verächtlich. Die United Irishmen mochten nach der gescheiterten Rebellion den Mut verloren haben, doch wenn der französische Held an der Küste Irlands auftauchte, konnte sich das in Windeseile ändern. Zugegeben, man munkelte von einem Waffenstillstand mit Frankreich. Cornwallis sollte nach Frankreich fahren und Möglichkeiten sondieren. Doch ein dauerhafter Friede zwischen der britischen Monarchie und der französischen Republik schien unwahrscheinlich. Gleichermaßen unwahrscheinlich war nach Hercules’ Auffassung, dass die United Irishmen je Ruhe geben würden. Vor über einem Jahr hatte FitzGibbon zu ihm gesagt: »Der kleine Robert Emmet, den ich von der Universität verwiesen habe, versucht, die United Irishmen hier in Dublin neu zu organisieren. Wir haben Wind davon bekommen, und wenn wir ihn hier aufgreifen, stecken wir ihn ins Gefängnis.« Ein Spion auf dem Kontinent hatte vor kurzem berichtet, der junge Emmet gehöre einer Delegation an, die Hilfe von Bonaparte erbitte.
Doch viel mehr wusste man nicht. Wenn dieser O’Byrne sich also bei den United Irishmen einnisten und ihn über ihre Ziele informieren konnte, dachte Hercules, war das nützlich und konnte seinen Ruf bei der Regierung nur stärken – beides lohnenswerte Ziele.
»Ich zahle gut«, sagte er zu O’Byrne, »aber ich zahle nur das, was ich bekomme. Sie werden mir und nur mir allein regelmäßig Bericht erstatten.«
Finn konnte sein Glück kaum fassen und entfernte sich höflich.
Nachdenklich starrte Hercules vor sich hin. Finn O’Byrne war nicht der einzige Spitzel, den er gegenwärtig beschäftigte.
Der junge William musste von irgendwoher Geld bekommen. Die wahrscheinlichste Quelle dieses Geldes war seine Großmutter. Hercules hatte sich in Geduld üben müssen, aber vor kurzem hatte er seine Mutter dazu überreden können, in ihrem Haus am Merrion Square einen ganz bestimmten Diener einzustellen. Der Diener verstand sich auf das Öffnen von Schlössern und würde deshalb in der Lage sein, die Schublade ihres Schreibpults zu öffnen, in der sie, wie Hercules wusste, ihre private Korrespondenz aufbewahrte. Der Diener konnte lesen und schreiben und hatte den Auftrag, die Briefe in der Schublade abzuschreiben. Wenn William seiner Großmutter regelmäßig schrieb, wie Hercules vermutete, dann wollte Hercules wissen, was in den Briefen stand.
Er wusste nicht, mit wem sein Sohn verkehrte, vermutete aber, dass es Männer wie Emmet waren. Als Student des Trinity College hatte William nicht für ihn spionieren wollen, ein
Weitere Kostenlose Bücher