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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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bei seiner Ankunft bereits vorbei gewesen. Aber es sollte noch schlimmer kommen.
    Einige Bräuche der Totenwache konnte er sogar verstehen, wie den, dass Freunde und Nachbarn sich versammelten und ihre Trauer miteinander teilten: Die freundlichen Worte und auch die respektvoll vorgetragenen Anekdoten aus dem Leben des Verstorbenen erschienen ihm durchaus angemessen und würdevoll. Nicht einmal die Speisen und Getränke störten ihn, solange niemand sich der Trunkenheit ergab. Und wenn ein Kind seinen Eltern entrissen worden war oder ein Elternteil die Familie bedürftig zurückgelassen hatte, waren diese Totenwachen ernste und traurige Angelegenheiten, bei denen die Nachbarn Trost und finanzielle Unterstützung spendeten. Aber wenn ein Mann ein langes, erfülltes Leben gelebt hatte und der Tod nicht überraschend kam, wenn die Gäste nicht nur Anekdoten erzählten, sondern auch Rätsel und Spiele spielten – die manchmal sogar die Leiche selbst mit einbezogen – dann bestätigte Pincher dieser Mangel an Ernst, diese Schamlosigkeit nur die heidnische Natur und die Unmoral der Iren. Dann konnte er sich nur noch angewidert abwenden.
    Der Gedanke, dass die freundschaftlichen Spiele und der Humor – der Versuch, das Leben mit den Verstorbenen zu teilen – den Schmerz linderten und die Möglichkeit boten, sich mit der Endgültigkeit des Todes abzufinden, dieser Gedanke hatte in dem einfarbigen Weltbild des Doktors keinen Platz. Es war ihm schleierhaft, warum sie sich so benahmen.
    Als die Sonne unterging, hörte er, wie die Frauen nasal zu singen begannen – eine langsame, traurige Weise, die seines Wissens nach cronan genannt wurde. Es klang nicht einmal unangenehm. Sie sangen, bis die Nacht einbrach, und da er keine anderen Geräusche hörte, nahm er an, dass alle Männer ihnen zuhörten. Als der letzte cronan geendet hatte, blickte er aus dem Fenster: Die ersten Sterne blinkten bereits am Himmel. Nach einer kurzen Pause stieg der Klang eines einzelnen Dudelsacks in die Nacht auf, und nun setzte sich auch Doktor Pincher in seinem Bett auf und lauschte.
    Die betörende Melodie hallte über den Hügeln wider, voller Trauer und dennoch seltsam tröstlich. Und gegen seinen Willen verspürte auch Pincher jenes einzigartige Gefühl, das nur der Klang eines Dudelsacks auslösen kann: eine melancholische und doch lebensfrohe Wärme im Herzen. Er lauschte und wünschte, die Melodie würde niemals enden. Aber schließlich verstummte das Instrument.
    Dann gab es eine kleine Pause, nach der der Musikus eine schwungvolle Weise anstimmte. Es klang zwar noch Trauer mit, aber schon bald stimmte eine Fiedel mit ein, deren fröhlicher Klang den Dudelsack wie einen guten Kameraden begleitete. Wäre es jetzt nicht allmählich angebracht, wenn die Gäste sich verabschiedeten und nach Hause gingen?, fragte sich Simeon Pincher. Als die Instrumente endlich schwiegen, seufzte er erleichtert.
    Er legte sich aufs Bett und schloss die Augen. Von unten hörte er leise Gesprächsfetzen, manchmal sogar Gelächter. Wenn ich jetzt gleich einschlafe, dachte er, kann ich schon im Morgengrauen von hier verschwinden. Er atmete langsam, hielt die Augen geschlossen und spürte, wie er sich entspannte.
    Plötzlich erklangen die Fiedeln. Laut. Und sie wurden von einer Flöte begleitet. Ein fröhliches Stück. Schreie und Gelächter drangen hinaus. Bei allem Unheiligen: Sie spielten eine Gigue. Wütend fuhr er auf und stürzte ans Fenster. Draußen wurden Fackeln entzündet, er konnte sehen, dass sich alle um den Turm versammelt hatten. Sie tanzten. Es wirkte wie eine Szene aus der Hölle, ein heidnisches Ritual. Sie tanzten tatsächlich eine Gigue.
    Entsetzt starrte er auf das Spektakel. Die Gäste tanzten fröhlich und immer länger und länger, als ginge es darum, wer am längsten tanzen konnte, ohne umzufallen.
    Doktor Pincher hatte es natürlich schon immer gewusst, aber nun hatte er es mit eigenen Ohren gehört und mit eigenen Augen gesehen: dass es egal war, ob diese irischen Papisten dich anlächelten oder englische Kleider trugen. Sie waren in jedem Fall schlimmer als Tiere. Sie waren für die ewige Verdammnis ausersehen, das stand nun zweifelsfrei fest. Mit einem gequälten Aufschrei drehte er sich um, warf sich mit dem Gesicht nach unten aufs Bett und hielt sich die Ohren zu.
    Aber die Musik und die Tanzerei ging weiter. Einige Tänze waren Gigues, die anderen waren ihm unbekannt. Er hatte gehört, dass die Iren einen Schwerttanz kannten.

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