Die Rebellen von Irland
sagte Pincher mürrisch. »Außerdem Logik und Theologie. Ich predige in der Christ-Church-Kathedrale. Ich bin ein Dozent am Emanuel College in Oxford.« Er hoffte, diese eindrucksvolle Aufzählung werde seinen aufdringlichen Gesellschafter zum Schweigen bringen.
Tadgh hatte für Engländer und Ketzer nicht viel übrig, aber er war beeindruckt. Dieser Gentleman und gelehrte Mann war den ganzen Weg aus Dublin gekommen, um einem Anführer der O’Byrnes die letzte Ehre zu erweisen. Er musste höflich sein. Schweigend lag er da und überlegte, was er zu einer so wichtigen Persönlichkeit sagen sollte. Und dabei kam ihm noch ein Gedanke. Dieser wichtige, gelehrte Mann teilte mit ihm das Bett und dachte wahrscheinlich, er, Tadgh O’Byrne, sei nur ein armer Schlucker. Er musste ihm sagen, dass auch er eine wichtige Persönlichkeit war, das schuldete er sich. Er war zwar nicht so gelehrt, aber doch ein Gentleman.
»Sie wissen wahrscheinlich nicht, wer ich bin, oder?«, fragte er.
»Wahrscheinlich nicht«, seufzte Doktor Pincher.
»Ich bin der rechtmäßige Erbe von Rathconan«, verkündete Tadgh stolz.
Diese Eröffnung brachte den gewünschten Effekt. Er spürte, wie der Doktor neben ihm zusammenzuckte.
»Aber ich dachte, Brian …«
»Ah.« Jetzt kam Tadgh in Fahrt. »Er besitzt es. Das ist wahr. Aber hat er auch ein Recht darauf?« Er legte eine bedeutungsschwere Pause ein und ließ die Frage in der Dunkelheit verklingen. »Hat er nicht. Ich stamme nämlich vom ältesten Sohn ab. Seine Familie hat den Besitz an sich gerissen, aber sie haben kein Recht darauf. Ihre Ansprüche sind ungültig«, schloss er triumphierend.
Merkwürdig. Die Tatsache, dass unter genau dem uralten irischen Gesetz, das Tadgh sonst so vehement verteidigte, Brians Vorfahren rechtmäßig ausgewählt und seine eigenen rechtmäßig abgelehnt worden waren; die Tatsache, dass er als guter Ire keinerlei Anspruch auf Brians Position hatte und ihm das auch jeder andere gute Ire klar und deutlich gesagt hätte; und erstaunlicherweise auch die Tatsache, dass nur nach englischem, nicht nach irischem Recht der älteste Sohn besondere Ansprüche hatte: All diese Umstände hatten sich auf wundersame Weise in der Schwärze der Nacht aufgelöst, oder vielmehr hatte Tadgh sie verschwinden lassen wie ein Verbrecher, der eine Leiche beseitigt.
»Wollen Sie damit sagen, dass Brian O’Byrne also kein verbrieftes Eigentumsrecht auf diesen Besitz vorweisen kann?«, erkundigte sich Pincher.
»Genau. Nicht nach englischem Recht.« Was er als Nächstes sagte, gefiel ihm selbst nicht, aber er wollte diesen Mann vom Trinity College unbedingt beeindrucken. »Nach königlichem Recht hat er keinen Anspruch auf Rathconan. Der rechtmäßige Erbe bin ich.«
»Das ist ja sehr interessant«, murmelte Doktor Pincher. Nach einer kurzen Pause setzte er hinzu: »Ich würde jetzt gerne schlafen.«
Und Tadgh O’Byrne, der seinen Standpunkt deutlich gemacht hatte, fiel sofort zufrieden in tiefe Bewusstlosigkeit. Pincher blieb wach. Ihm stand der Sinn noch nicht nach Schlaf, er lag da und dachte nach. Wenn die Mitteilung, die er gerade erhalten hatte, stimmte, dann war sie von großer Bedeutung. Natürlich würde das dem abstoßenden Saufbold neben ihm niemals etwas nützen, Gott bewahre. Aber falls der freundliche junge Mann, der ihn in sein Haus eingeladen hatte, keine gültigen Besitzansprüche auf dieses Land vorweisen konnte, dann gab es legale Mittel und Wege, ihn zu enteignen. Pincher fragte sich, ob in Dublin sonst noch jemand davon wusste. Wahrscheinlich nicht. Ein Anwesen wie Rathconan hatte einen viel größeren Wert als der Profit, der ihn unten in Munster erwartete. Egal, wie dicht die Eichen dort standen.
Er überlegte, ob und wie er diese unverhofften Neuigkeiten zu seinem Vorteil ausnutzen konnte.
***
Seit einiger Zeit hatte Orlando das Gefühl, seinem Vater gehe es nicht gut. Da er jeden Tag mit ihm zusammen war, merkte er die kleinen Veränderungen im Leben seines Vaters.
Obwohl Orlando bereits sechzehn Jahre zählte, wohnte er immer noch zu Hause. Martin Walsh hatte alle Vorstöße von Lawrence, der Orlando nach Salamanca schicken wollte, leise, aber bestimmt abgewehrt. »Nein, ich möchte, dass er bei mir bleibt«, erwiderte er immer. »Er kann auch von den Lehrern hier eine gute Ausbildung erhalten. Das Rechtswesen werde ich ihm selbst beibringen.« Einmal wurde Orlando zufällig Zeuge einer solchen Auseinandersetzung und hörte seinen Vater ausrufen:
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