Die Rebellen von Irland
Leben an ihnen vorbeirauschte. Politik war eine Droge, wie er wusste, und Stephen war ein Süchtiger. Er musste gerettet werden.
Manchmal träumten Männer wie Stephen auch davon, selbst eine führende politische Rolle zu spielen. Ob Smith solche Träume hatte? Vielleicht. William hatte ein oder zwei Reden von ihm gehört. An Talent fehlte es ihm nicht, und er hatte eine besondere Ausstrahlung. Doch falls er davon träumte, selbst für einen Sitz im Parlament zu kandidieren, so war das wahrscheinlich illusorisch. Und er hatte noch eine andere Schwäche, eine, die typisch war für arme Männer: Er war stolz. »Stephen Smith würde alles tun, um dem Eindruck vorzubeugen, er sei käuflich oder bestechlich«, sagte er zu der jungen Frau, wobei er sich fragte, ob sie ihn verstand.
»Mag er Frauen?«
»Ja. Wenn er Zeit hat.« Er hielt inne. »Die Frauen mögen ihn.«
»Das denke ich mir. Er hat wunderschöne grüne Augen.«
»Tatsächlich? Ja, die hat er wohl.«
Viele Frauen fühlten sich zu Stephen hingezogen. Nach Williams Kenntnis hatte er mit mindestens zwei verheirateten Damen der Gesellschaft Affären gehabt, und eine hatte sogar mehrere Jahre gedauert. Dass Stephen wirklich mit dem Herzen dabei gewesen war, bezweifelte William allerdings. Vielleicht war er ein wenig egoistisch. Doch wenn sich ein Mann ohne Geld in diesen Kreisen bewegen wollte, was blieb ihm da anderes übrig, als mit den Frauen anderer Männer Affären einzugehen?
Waren es seine Augen, die auf die Damen so anziehend wirkten? Nicht allein. Aber dieser dunkelhaarige, gut aussehende Mann hatte etwas Magisches an sich, und wenn er sich für ein Thema begeisterte und darüber sprach, verströmte er eine faszinierende Leidenschaftlichkeit.
»Ich bin überzeugt, Sie werden Ihre eigenen Schlüsse ziehen«, sagte er. »Sie sollten mit ihm reden.«
»Keine Sorge.« Sie lächelte. »Das werde ich.«
Maureen war gut gelaunt, als Mr Callan vorbeikam. Sie wusste es nicht mit Gewissheit, aber sie hatte das Gefühl, dass er sie mochte. In den vergangenen zwei Jahren war er stets freundlich zu ihr gewesen und hatte nach den Kindern gefragt. Einmal hatte er im Vorbeireiten bemerkt, wie zwei von ihnen nach dem großen glänzenden Apfel schielten, in den er gerade beißen wollte. Schmunzelnd hatte er ihr den Apfel gereicht, damit sie ihn den Kleinen gab.
Heute hatte Callan nur nach ihrem Vater gefragt, und als sie sagte, dass er nicht da sei, hatte er erwidert: »Macht nichts, dann schaue ich später noch einmal vorbei.«
Der Himmel war klar, und die Herbstsonne schien. Nach den vielen verregneten Tagen im Sommer stimmte das sonnige Wetter sie fröhlich.
Wenn sie über ihr Leben nachdachte, war sie recht zufrieden mit sich. Sie wusste, wie sehr die Familie sie brauchte. Es war jetzt zwei Jahre her, dass ihre Mutter gestorben war, nachdem sie den kleinen Daniel zur Welt gebracht hatte. »Kümmere dich an meiner Stelle um ihn«, hatte die Mutter zu ihr gesagt. Als die älteste Tochter hätte sie ihr ohnehin bei den Kindern helfen müssen, und Gott sei Dank war sie nicht verheiratet.
Sie hatte für vier Kinder zu sorgen. Die beiden ältesten hatten bald nach dem Tod der Mutter das Haus verlassen. Norah hatte geheiratet und war mit ihrem Mann nach England gezogen. Dann war William zusammen mit seinem Onkel, dem letzten noch hier lebenden Bruder Eamonns, nach Amerika ausgewandert. Aber die jüngeren waren noch da: Nuala, die jetzt fünfzehn war, Mary und Caitlin, die acht und zehn waren, und schließlich der kleine Daniel, der wegen der Umstände seiner Geburt für sie fast wie ein eigenes Kind war. Sie ging davon aus, dass sie sich, sofern ihr Vater nicht wieder heiratete, noch zwölf Jahre oder länger um ihn würde kümmern müssen, bis er alt genug war, sich selbst durchs Leben zu schlagen. Es sei denn natürlich, sie heiratete selbst, aber das war unwahrscheinlich. Sie war jetzt vierundzwanzig.
»Leider bist du keine Schönheit, Maureen«, hatte ihre Mutter sie vor Jahren gewarnt. »Aber vielleicht wird dich einer heiraten, weil du ein so gutes Herz hast.«
Ihr Vater kam am frühen Nachmittag nach Hause. Callan schaute etwa eine Stunde später wieder vorbei. Die Neuigkeit, die er brachte, war sehr einfach.
»Mir liegt ein Angebot für dieses Land vor. Zu einem höheren Pachtzins. Ich bin hier, um zu fragen, ob Sie mir ein vergleichbares Angebot machen möchten.«
»Höher? Wie viel höher?«, fragte Eamonn Madden.
»Ungefähr das Doppelte
Weitere Kostenlose Bücher