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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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an Irland durchaus nichts verkehrt ist.«
    »Nichts verkehrt?« Stephen sah ihn ungläubig an.
    »Überhaupt nichts«, bekräftigte der Ökonom. »Und es überrascht mich, Mr Smith, dass Sie als Whig – und Sie sagen ja, dass Sie einer sind – etwas anderes denken.«
    »Wie meinen Sie das, Dudley?«, fragte Mountwalsh mit einem breiten Lächeln und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
    »Als Whig«, sagte Dudley Doyle zu Stephen wie ein Anwalt, der im Gerichtssaal vor den Geschworenen das Wort an einen Zeugen richtet, »glauben Sie doch an den freien Handel, habe ich Recht?«
    »Ja.«
    »Sie sind nicht der Meinung, dass Regierungen intervenieren sollten, wie es die Briten früher gern getan haben, um leistungsschwache Bauern und Produzenten mittels Zöllen oder Handelsbeschränkungen zu schützen? Sie glauben doch an die Kräfte des freien Marktes – die auf lange Sicht immer das Beste sind?«
    »Gewiss.«
    »Genau damit haben wir es hier zu tun. Wir haben einen Bevölkerungsüberschuss in Irland. Gut. Das führt dazu, dass Arbeit billig wird. Das wiederum ist ein Anreiz für rührige Fabrikanten, Arbeiter einzustellen.«
    »Das mag in Ulster so sein, aber nicht in Clare. Und die Menschen hungern.«
    »Es ist nicht unbedingt schlecht, wenn Menschen hungern. Es zwingt sie, sich anderswo Arbeit zu suchen. Erleben wir das nicht momentan?«
    »Arbeiter aus Clare schultern ihre Spaten und ziehen als Saisonarbeiter bis nach Leinster«, pflichtete Stephen bei, »oft sogar nach England.«
    »Ausgezeichnet. Großbritannien profitiert davon, denn die Kosten für Arbeit sinken und die Iren haben zu essen.«
    »Viele müssen das Land aber für immer verlassen«, sagte Stephen traurig, »und sind gezwungen, nach England oder Amerika auszuwandern.«
    »Wissen Sie«, flocht Mountwalsh ein, »dass zu meinen Lebzeiten über eine Million Menschen diese Insel verlassen haben? Rund vierhunderttausend allein in den vergangenen zehn Jahren.«
    »Hervorragend«, sagte Doyle und lächelte die beiden Männer an. »Die ganze Welt profitiert davon. In Irland gibt es zu viele Menschen? Schön und gut. Amerika braucht sie. Ein riesiger, reicher Kontinent, der Arbeitswillige benötigt. Dort können sie ihr Glück machen. Wo wäre Amerika denn ohne Irland? Wir müssen alles in einem größeren Zusammenhang sehen, meine Herren. Das vorübergehende Elend des irischen Bauern wird sich im Nachhinein als Segen erweisen. Daher kein Eingreifen in den Markt. Der Markt sorgt dafür, dass die Welt sich weiterdreht.«
    »Aber dieser Prozess ist grausam«, sagte Stephen.
    »Das ist die Natur auch.«
    Eine nachdenkliche Pause trat ein.
    »Ist es nicht faszinierend, ihnen zuzuhören?«, sagte Henrietta zu Caroline Doyle. »Ich glaube, es ist Zeit für das Dessert.«
    ***
    William war entzückt, als Caroline Doyle ihn nach dem Essen bat, ihr seine Bibliothek zu zeigen. Schließlich war er es, der Doyle vorgeschlagen hatte, sie mitzubringen. Sie bewunderte seine Sammlung und entdeckte ein paar ihrer Lieblingsbücher. Sie wandte sich ihm zu und lächelte.
    »Nun, Lord Mountwalsh, Sie haben mich doch eingeladen, damit ich ihn kennen lerne. Also, was für ein Mensch ist Stephen Smith?«
    »Ich hätte Sie wohl kaum eingeladen«, antwortete er wahrheitsgemäß, »wenn das so leicht zu sagen wäre.«
    Ihr Vater hatte der Sache nur zugestimmt, weil er, wie er dem Earl offen gestand, nicht mehr wusste, was er mit ihr anfangen sollte. Er selbst mochte sehr intelligent sein, doch konnte er nicht einsehen, wozu bei einer Frau scharfer Verstand gut sein sollte. Jedenfalls trug er nicht dazu bei, rasch unter die Haube zu kommen. Denn geistlose Herrschaften ohne eigenen Kopf langweilten Caroline Doyle sehr schnell.
    »Stephen Smith ist mit Sicherheit interessant«, fuhr der Earl jetzt fort.
    Und es wurde Zeit, dass er endlich heiratete. Er war schon fünfunddreißig. Noch ein paar Jahre, so sagte sich Mountwalsh, und der Mann war ein solches Gewohnheitstier, dass er niemanden mehr an seiner Seite ertrug. Außerdem war es an der Zeit, dass Stephen ein richtiges Zuhause bekam. Seit Jahren wohnte er möbliert.
    William Mountwalsh kannte einige Männer von diesem Schlag. Männer, die vom täglichen Geschäft der Politik mit seinen Aufregungen, Ungewissheiten und nächtlichen Plaudereien so fasziniert waren – vom prickelnden Gefühl der Nähe zur Macht ganz zu schweigen –, dass sie Jahrzehnte in belebten Hinterzimmern und auf Korridoren zubrachten, ohne zu merken, dass das

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