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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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,fragte Madden. Sprechen Sie Gälisch?
    »Als Kind habe ich es gesprochen. Ein wenig. Inzwischen habe ich alles vergessen. In Leinster wird es weniger gesprochen.«
    »Und Ihre Familie? Hungert sie auch?«
    »Nein.« In den Wicklow-Bergen war die Not groß, aber nicht überall. So wenig er die Familie Budge mochte, so hatte sie doch dafür gesorgt, dass in Rathconan niemand zu hungern brauchte. Unten in Wexford, wo Mischlandwirtschaft vorherrschte, war die Not gering. Auf dem riesigen Landgut Mount Walsh brauchte sich mit Sicherheit kein Pächter des Earls Sorgen zu machen. Andere Landesteile waren unterschiedlich stark betroffen, doch am schlimmsten war die Lage im Westen. »Ich muss Ihnen jetzt eine Frage stellen. Weiß jemand davon, dass Sie neulich nachts ein Kleid angezogen haben?« Eamonn sah ihn ruhig unter seinen buschigen Augenbrauen hervor an, sagte aber nichts.
    »Ich weiß, dass Sie es waren«, fuhr Stephen fort. »Weiß Maureen davon?« Eamonn schüttelte den Kopf. »Die anderen Männer?«
    »Nein.«
    »Ich habe Sie nicht angezeigt. Nicht aus Angst. Aber ich will Ihnen etwas sagen, das Sie wissen sollten. Ich hatte halb mit so etwas gerechnet. Ich habe Anweisung, sofort den Captain zu unterrichten, wenn ich eine Drohung erhalte. Wenn ich es tue, wird er den gesamten Arbeitstrupp auflösen, aus dem die Drohung kommt. Fünfzig Mann würden ihre Arbeit verlieren. Und ich zweifele nicht daran, dass er es tun würde.«
    »Der Mann ist ein Unmensch.«
    »Nein, Sie irren sich. Er bemüht sich, fair zu sein. Gegen die hiesige Gentry geht er ebenso streng vor.«
    »Er hat einen Mann entlassen, nur weil er eine Kuh besitzt. Wenn er eine Kuh besitzt, sagt er, kann er auch eine Familie ernähren. Sollen die sieben Kinder des Mannes zwischen Milch und Hungertod wählen?«
    »Genau darum geht es mir. Er meint es gut, glauben Sie mir. Aber er hat keine Ahnung, unter welchen Bedingungen Iren leben. Übrigens sagt er, dass Callan, der Agent, Sie für gefährlich hält.«
    »Callan war es, der mich von meinem Land vertrieben hat. Ich habe ihm nichts getan, aber wahrscheinlich hat er Angst vor mir. In der Gegend da oben sind andere bedroht worden, aber nicht von mir.«
    Maureen kam zurück. Sie sah Stephen an. Offenkundig fragte sie sich nach dem Grund seines Kommens. Madden konnte sich glücklich schätzen, eine solche Tochter zu haben, dachte Stephen. Man musste die sanfte, ruhige Art, mit der sie die Familie zusammenhielt, einfach bewundern. Darin lag Schönheit.
    »Ich kann nicht zulassen, dass ich bedroht werde, Mr Madden«, sagte er entschieden. »Sie wissen, was ich meine. Aber Sie können sich morgen bei mir wieder zur Arbeit melden.«
    »Und der Captain?«
    »Wir müssen von Tag zu Tag denken.«
    Er verneigte sich höflich vor Maureen und ging.
    Noch am selben Nachmittag machte er sich an seine zweite Aufgabe. Sie bestand darin, einen Brief zu schreiben. Er schilderte ausführlich, was er hier erlebt hatte, auch die Haltung des Captains, den er dafür lobte, dass er sich im Rahmen seiner Möglichkeiten nach Kräften bemühte. Der Brief schloss mit den eindringlichen Worten:
     
    Ich habe immer an das freie Wirken des Marktes geglaubt, und ich tue es noch. Aber ebenso klar ist, dass der Markt unter extremen Bedingungen nicht zufrieden stellend funktioniert. Und die Bedingungen in Clare sind jetzt extrem und verschärfen sich weiter. Wegen der hohen Preise für Nahrungsmittel, sofern es überhaupt welche gibt, und unserer Weigerung, sie zu subventionieren, leiden selbst diejenigen, die Arbeit haben, an Unterernährung, und die anderen, die keine haben, werden in Kürze verhungern.
    Wenn wir diese Menschen nicht versorgen, werden sie sterben.
     
    Er schickte den Brief weder an den Vizekönig noch in die Dubliner Burg. Er schickte ihn an den einzigen Mann, von dem er glaubte, dass er etwas bewirken konnte. Er schickte ihn an den freundlichen Lord William Mountwalsh.
     
    Als Weihnachten nahte, hatte die Familie Madden allen Grund, Stephen dankbar zu sein. Im gesamten Westen brach die Armenhilfe zusammen. In den entlegenen Gebieten von Clare und Galway waren viele Gemeinden ohne Nahrung. Berichten zufolge hungerten ganze Dörfer. Maureen wusste, dass in der Straße neben ihrer Kate drei alte Frauen und ein alter Mann an Hunger und Kälte gestorben waren. Eines Tages, als sie in die Stadt ging, sah sie vor einer Hütte eine steif gefrorene Leiche liegen. Mitte Dezember bettelten ein Dutzend arme Teufel auf dem

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