Die Rebellen von Irland
Stroh ein Schlaflager. »Das genügt mir«, sagte er.
Sie sprach mit Nuala. Die Ärzte von Ennis hatten in den Spitälern alle Hände voll zu tun, doch Nuala fand einen Priester, den sie fragen konnte. Er gab ihr einen klugen Rat.
»Ganz gleich was ihr tut«, sagte er, »bringt ihn auf keinen Fall ins Fieberspital. Dort hat er es sich wahrscheinlich geholt. Haltet die Kinder von ihm fern und betet. Ich habe jetzt jeden Tag mit Fieberfällen zu tun, und es werden immer mehr. Die Menschen sind durch den Nahrungsmangel so geschwächt, dass sie keine Widerstandkraft mehr haben. Es gibt zwei Formen: das gelbe und das schwarze Fieber, wie man sie nennt. Das schwarze ist Typhus, eine schlimme Krankheit, aber die meisten überleben sie. Ist dein Vater ein kräftiger Mann? Das ist gut. Dann bete für ihn. Mit etwas Glück wird das Fieber in einer Woche sinken.«
Doch es sank nicht. Am fünften Tag, als Maureen ihren Vater fütterte, bemerkte sie im Kerzenschein, dass die Haut auf seiner Brust gesprenkelt war. Sein Hemd stand auf einer Seite offen, und als er sich umdrehte, sah sie, dass er dunkelrote Flecken auf der Seite hatte. Sie war sich nicht sicher, ob er sich dessen bewusst war, deshalb sagte sie nichts. Am nächsten Tag waren die Flecken dunkler. Die Kinder wollten ihn sehen, aber sie ließ sie nicht zu ihm. Sie gab ihm weiter Fleischbrühe.
Am nächsten Abend brachte Nuala etwas Milch mit nach Hause. »Die ist gut gegen Fieber«, sagte sie. »Meinem Krämer habe ich gesagt, sie sei für meine Schwestern, damit sie zu Kräften kommen.«
»Weiß er von Vater?«
»Spinnst du? Er würde mich nicht mehr anrühren, wenn er Bescheid wüsste. Und das hieße …«, sie verzog das Gesicht, »… keine Lebensmittel mehr.«
Zwei Tage später waren die Flecken auf der Brust ihres Vaters fast schwarz. Am Abend begann er zu phantasieren und wirr zu reden. Er hatte die Augen offen, aber Maureen wusste, dass er sie nicht sah. Tags darauf hatte er gegen Mittag einen lichten Moment.
»Bring mir Daniel.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nur bis zur Tür. Nur für einen Augenblick.«
Widerstrebend gehorchte sie. Eamonn setzte sich auf und lehnte sich gegen die Wand.
»Daniel, dein Vater ist krank. Ich sehe dich vielleicht nicht wieder. Verstehst du?«
Der Junge starrte mit weit aufgerissenen Augen in den dunklen Raum, wusste aber nicht, was er sagen sollte.
»Deine Schwester wird sich um dich kümmern«, fuhr sein Vater fort, »und du wirst immer versuchen, ihr zu helfen. Willst du das für mich tun?« Daniel nickte. »Und später, wenn du groß und stark bist, wirst du niemals krank werden. Dann bist du der Mann in der Familie und kümmerst dich um Maureen und deine anderen Schwestern. Versprichst du mir auch das?«
»Ja«, sagte der kleine Junge leise.
»Gut. Du bist ein guter Junge, Daniel. Ich bin sehr stolz auf dich.« Er blickte zu Maureen. »Das war’s.«
In diesem Augenblick wollte Daniel zu seinem Vater rennen, aber Maureen konnte ihn gerade noch zurückhalten.
Als sie wieder in dem vorderen Zimmer waren, sagte Daniel zu ihr:
»Ich werde mich um dich kümmern, Maureen. Das verspreche ich. Für alle Zeit.«
»Das weiß ich«, erwiderte sie und gab ihm einen Kuss. Dann ging sie zurück, um ihrem Vater zu helfen. Er wirkte auf einmal sehr müde.
»Heute Abend, wenn Nuala zurück ist, spreche ich mit den Mädchen.«
Doch am Abend phantasierte er wieder.
Dieser Zustand hielt auch am nächsten Tag an. Dann fiel er in eine Art Starre. Seine Augen standen weit offen, und sein Atem ging flach. Maureen wusste nicht, was sie tun sollte. Nuala holte den Priester, der, nachdem er ihm die letzte Ölung gegeben hatte, zu ihnen sagte: »Ich glaube, jetzt dauert es nicht mehr sehr lange.«
Als Maureen am nächsten Morgen zu ihm ging, stellte sie fest, dass er gestorben war.
***
Im Juli des Jahres 1847 geschah etwas Wunderbares.
Die große Hungersnot in Irland ging zu Ende.
Gewiss, der überwiegende Teil der irischen Bevölkerung war noch dem Hungertod nahe, und die Zahl der geschwächten Menschen, die an Krankheiten starben, stieg. Zudem waren so wenige Kartoffeln gepflanzt worden, dass die Ernte, selbst wenn sie von der Fäule verschont blieb, niemals ausreichen würde, um die Armen auf dem Land, die ihre ganze Hoffnung auf sie setzten, zu ernähren. Und immer mehr Kleinpächter und Cottiers wurden von ihrem Land vertrieben und in bitterste Not gestürzt. Mit anderen Worten, Irland lag am Boden.
Doch die Hungersnot
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