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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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sie öfter zusammen zu Abend gegessen. Charles hatte ihn zu überreden versucht, seine politische Laufbahn wieder aufzunehmen.
    Jetzt aßen die drei Männer ruhig zusammen zu Abend. O’Connell entschuldigte sich für das etwas schlichte Mahl. »Es ist in der Tat recht bemerkenswert«, sagte er, »wie wenig sich für die reicheren Kaufleute und die örtliche Gentry geändert hat. Die Gentry gibt in ihren Häusern nach wie vor Gesellschaften – zugegebenermaßen in aller Stille –, aber man kann immer noch in jedem Landhaus hier in der Gegend dinieren und Whist spielen. Ich weiß, es ist schrecklich, so etwas zu sagen, aber diese Hungersnot war für viele Landgüter in der Grafschaft ein Segen, denn sie lieferte den Grundherren und den Großbauern einen Vorwand, unliebsame Pächter zu vertreiben. Einer sagte zu mir: ›Ich habe einige meiner Leute überredet, nach Amerika auszuwandern. Es kommt mich günstiger, wenn ich ihnen die Überfahrt bezahle und mein Land zurückerhalte.‹ So stehen die Dinge, Mr Tidy. Ob Engländer oder Ire, das macht keinen großen Unterschied. Die Reicheren haben in dieser Sache ihre Interessen, und die Armen, die leiden, andere. Sie könnten jetzt einwenden, dass es gar nicht erst so weit hätte kommen dürfen.«
    »Das würde ich mit Sicherheit«, sagte der Quäker. »Aber es ist nun mal geschehen, und es gibt Leute, die behaupten, dass wir unsere Schwierigkeiten nur überwinden, wenn wir vorher diese schreckliche Phase der Anpassung durchlaufen.«
    »Womit sie den Hungertod meinen«, fügte Stephen mit Nachdruck hinzu. »Denn nichts anderes ist es, was die britische Regierung jetzt vorschlägt.«
    »Sie glauben, dass die Briten die Armen in Irland absichtlich verhungern lassen?«
    »Nicht direkt«, antwortete Stephen. »Aber ich glaube, dass alles, was sie getan haben, schon im Ansatz falsch war. Vor meiner jetzigen Tätigkeit habe ich bei der Durchführung öffentlicher Bauvorhaben geholfen. Männer bekamen einen Hungerlohn für nutzlose Arbeiten, damit sie sich Lebensmittel kaufen konnten, die es gar nicht gab. Obendrein hat das die Regierung viel Geld gekostet, viel mehr, als wenn sie die Menschen einfach nur ernährt hätte. Das ganze System ist gescheitert, deshalb hat man die Suppenküchen eingeführt. In einigen entlegenen Gebieten von Clare haben die Suppenküchen so spät die Arbeit aufgenommen, dass in der Zwischenzeit ganze Dörfer verhungert waren. Momentan ist die Gefahr gebannt. Doch in zwei Monaten stellen die Suppenküchen den Betrieb ein, und die Arbeitshäuser werden versuchen, die Lücke zu schließen.«
    »Das stimmt mich sehr besorgt«, sagte Tidy.
    »Dazu besteht auch Grund. Wissen Sie, wie viele Menschen zum jetzigen Zeitpunkt in Clare gespeist werden müssen? Einhunderttausend. Wissen Sie, wie viele Plätze es in den Arbeitshäusern der Grafschaft gibt? Dreitausend. Was soll aus den restlichen siebenundneunzig Prozent werden? Das kann mir niemand sagen. Hier in Ennis«, fuhr er verbittert fort, »kann ich fünfunddreißigtausend versorgen – von denen viele, nebenbei bemerkt, arbeitsfähig sind. Das Arbeitshaus wird vergrößert. Künftig wird es über etwas mehr als tausend Plätze verfügen.« Stephen Smith machte eine verzweifelte Geste.
    Der Quäker betrachtete ihn mit stillem Vergnügen. »Wie ich sehe«, sagte er, »haben Sie sich seit unserer ersten Begegnung verändert, Mr Smith. Damals waren sie noch ganz Politiker.«
    »Können die Quäker helfen?«, fragte Stephen. »Wenn mich nicht alles täuscht, haben Quäker doch die allerersten Suppenküchen eingerichtet.«
    »Wir können helfen«, antwortete Tidy, »aber wir sind vorsichtig. Es steht nämlich immer zu befürchten, dass man uns unterstellt, wir wollten die Menschen bekehren, was wir, wie ich Ihnen versichern kann, niemals tun.«
    »Ach ja«, sagte Charles O’Connell, »Sie meinen die ›Suppenmission‹.«
    Stephen hatte davon gehört. Protestantische Geistliche boten den Hungernden Essen an, wenn sie dem katholischen Glauben abschworen.
    »Ich kann nicht behaupten, dass ich es mit eigenen Augen gesehen hätte«, erklärte er. »Kommt das wirklich vor?«
    »Selten«, antwortete der Quäker. »Aber ich habe es gesehen.«
    »Und was könnten Sie hier tun?«, wollte Stephen wissen.
    »Wir werden wahrscheinlich versuchen, mit den örtlichen Gemeinden zusammenzuarbeiten. Wir schicken Ihnen Hilfsgüter – Nahrungsmittel, Kleidung und so weiter –, und sie sollen alles so verteilen, wie sie es für

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