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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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lagen, sagte Mrs Tidy sanft zu ihrem Mann: »Ist dir etwas aufgefallen, als Stephen hier war?«
    »Ich denke schon. Du meinst, an Maureen?«
    »Sie liebt ihn.«
    Tidy seufzte, sagte aber nichts.
    ***
    Stephen sah das Teleskop im August. Er kehrte gerade aus der Grafschaft Clare zurück. Wenn ihn etwas in seiner Entscheidung, der Politik den Rücken zu kehren, bestätigte, dann waren es die Ereignisse der letzten Wochen. Seit Daniel O’Connells Tod hatte sich die Ratlosigkeit unter den Gegnern der Union nur noch verschlimmert. Die Jungen Irländer hatten allerdings ein neues Schlagwort gefunden. An der Hungersnot seien die Briten schuld, erklärten sie und riefen zum bewaffneten Aufstand auf. Genau das hatte O’Connell immer zu verhindern versucht. Es war ein sinnloses Unterfangen. Und natürlich hatten sie nicht die geringste Ahnung, was sie tun sollten. Wenn Emmets Aufstand eine Tragödie gewesen war, so war dieser eine Farce. Genau genommen gab es überhaupt keinen Aufstand. Doch in dem Gefühl, unbedingt etwas tun zu müssen, hatten Ende Juli Agitatoren des Jungen Irland versucht, Dörfer in Tipperary aufzuwiegeln.
    Die Leute in Tipperary hatten um Nahrungsmittel gebeten, es aber abgelehnt, einen Aufstand zu machen. Darauf hatten sich ein paar Dutzend Junge Irländer auf einem kleinen Acker ein kurzes Gefecht mit der örtlichen Polizei geliefert. Stephen hatte es traurig gestimmt, als er davon hörte.
    Der Besuch in Clare hatte ihn deprimiert. Die Kartoffelfäule, im letzten Sommer fast verschwunden, war wieder aufgetreten. Mehr als die Hälfte der Ernte fiel ihr zum Opfer. Es war also kein Ende in Sicht: Hunger und chronische Krankheiten würden ein weiteres Jahr das Regiment führen. Wäre er von seinen früheren Besuchen nicht schon abgestumpft gewesen, hätte er es diesmal möglicherweise nicht ertragen. Aber vielleicht, so gestand er sich ein, hatte auch der Umstand, dass er einen einzigen Menschen gerettet und nach Dublin gebracht hatte, genügt, um sein Gewissen zu beruhigen, als er die vielen tausend anderen sah, die dem Tod geweiht waren.
    Nach wie vor ungelöst war auch die Landfrage. Mittlerweile wurden nicht mehr nur die Armen vertrieben. Der Prozess hatte eine schreckliche Eigendynamik entfaltet. Tagelöhner, die von Kleinbauern einen Kartoffelacker gepachtet hatten, konnten ihre Pacht nicht bezahlen. Die Kleinbauern konnten die Großbauern nicht bezahlen, deren Land sie weiterverpachteten, und die Großbauern konnten die Grundherren nicht bezahlen. Und viele Grundherren waren, wie sich nun zeigte, so hoch verschuldet, dass sie verkaufen mussten. »Wenn das so weitergeht«, hatte Lord Mountwalsh zu ihm gesagt, »steht bald ein Großteil des Westens zum Verkauf.«
    Die Frage war, was das Landgut Mountwalsh in dieser Situation tun sollte.
    »Die Regierung in London würde den Grundherren im Westen keine Träne nachweinen«, fuhr der Earl fort. »Sie hält die meisten für unzuverlässig und pflichtvergessen. Sie findet, dass sie diese Hungersnot hätten verhindern müssen und dass sie schändlicherweise nicht bereit waren, ihren eigenen Leuten zu helfen. In dem Punkt würde ich der Regierung nicht widersprechen wollen.«
    »Die Briten tragen genauso viel Schuld«, erwiderte Stephen, »weil sie nicht einsehen wollten, dass die Probleme zu groß sind, als dass sie lokal gelöst werden könnten.«
    »In der Tat, und die Geschichte wird sie richten. Es ist doch wirklich bemerkenswert, wie wenig die Engländer über ein Nachbarland wissen, mit dem sie so eng verbunden sind. Wie auch immer, jedenfalls bilden sie sich jetzt ein, dass sie das Problem lösen können, sobald die Grundbesitzer im Westen bankrott gehen und verkaufen, und zwar dadurch, dass sie das Land ehrlichen freien Bauern übergeben, die es besser bewirtschaften.«
    »Und wo wollen sie die hernehmen?«
    Der Earl lächelte.
    »Wenn man es recht bedenkt, sagen sie das Gleiche, was ihre Vorgänger seit Jahrhunderten sagen, seit ihren ersten Erfahrungen mit Irland zu Zeiten der Plantagenets. Die Tudors und Stuarts haben mit ihrer Kolonisierung das Gleiche versucht. Da der freie Bauer das Rückgrat Englands ist, und das ist er, Stephen, hängen die Engländer verständlicherweise dem Glauben an, dass man hier nichts weiter braucht als freie Bauern. Und solche Bauern gibt es in Irland natürlich, und viele sind irischer Abstammung. Wir haben welche in Wexford. Aber sie wollen ebenso wenig Land in Clare kaufen wie irgendwelche reichen Bauern drüben

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