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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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wollte.
    »Verräter.« Sie sagte das Wort laut in den leeren Raum. Ein Mann, der seine Standesangehörigen verriet. Oder noch schlimmer: Seinetwegen wandte sich das ganze britische Parlament gegen seinesgleichen, die irische Oberschicht. Die Katholiken bekamen Geld, damit sie das Land der Protestanten aufkaufen konnten, auf dem diese seit Jahrhunderten lebten. Die Protestanten konnten sich nur noch zurückziehen wie pensionierte Beamte – und wohin? In eine Wohnung in Dublin oder eine Vorstadtvilla in England – sie, die ehemaligen Herren der weiten irischen Lande. »Verräter«, sagte Rose Budge noch einmal, zum Feuer gewandt.
    Wenigstens, so hieß es, bediene Parnell sich parlamentarischer Mittel. Es gab andere in Irland, die mit anderen Mitteln kämpften, sogar mit Mord, um ihre Ziele zu erreichen. Aber waren einige dieser Teufel nicht auch Anhänger Parnells? Vor einigen Jahren war im Phoenix Park der arme Lord Frederick Cavendish, der irische Chief Secretary, von Extremisten ermordet worden. Rose Budge hatte damals gelesen, Parnell stecke hinter dem Anschlag. Inzwischen galt das als falsch. Das mochte stimmen, sie konnte es nicht beurteilen. Aber Parnell war trotzdem ein Verbrecher.
    Seine Strafe hatte er erhalten. Er tat ihr nicht leid. Wie sie gehört hatte, hatte er mit einer gewissen Mrs O’Shea zusammengelebt, die nicht seine Frau war, sondern die Frau eines anderen, von dem sie aber getrennt lebte. Eine herzensgute Person, hieß es, und von ihrem Mann vernachlässigt. Dass ihr Mann sich unter diesen Umständen und nach all den Jahren von ihr scheiden ließ und Parnell als ihren Liebhaber namentlich benannte, war stillos. Es gehörte sich nicht für einen Gentleman und es hatte Parnell vernichtet. Die Engländer waren auf Distanz zu ihm gegangen und genauso die katholische Kirche Irlands, die sich nie damit hatte anfreunden können, dass Parnell Protestant war. Man hatte ihn aus der Politik getrieben. Er war am Ende.
    Ein unrühmliches Ende, gewiss, doch tat er ihr nicht Leid.
    Jetzt stellte sich die Frage, was sie mit dem Schlamassel tun sollte, den Parnell vor ihrer Tür angerichtet hatte. Was sollte sie Fintan O’Byrne antworten?
    Am Morgen darauf fuhr sie in der Kutsche nach Wicklow hinunter. Sie trug dazu nicht ihren Turban, sondern einen Filzhut von der Form eines umgedrehten Blumentopfes. In Wicklow begab sie sich geradewegs in die Kanzlei ihres Anwalts Quinlan Smith. Der Anwalt hörte ihr aufmerksam zu, nickte und stellte ihr dann eine Frage.
    »Wollen Sie das Land an Fintan O’Byrne verkaufen?«
    »Keineswegs.«
    »Darf ich fragen, warum nicht?«
    »Weil es mir und meiner Familie gehört«, antwortete sie wahrheitsgemäß, »und weil ich nicht um die halbe Welt gereist bin, nur um es wegzugeben.«
    »Sie haben das Gefühl, dass Sie hierher gehören?«
    »Natürlich, wohin sonst?«
    »Verstehe.« Der Anwalt nickte nachdenklich. »Obwohl Sie überrascht wären, wie viele Angehörige genauso alter Familien dieser Tage verkaufen.« Er machte eine Pause. »Ich brauche Ihnen wahrscheinlich nicht zu sagen, dass Sie nicht verkaufen müssen, wenn Sie das nicht wollen.«
    »Gut.«
    Das Gespräch hätte hier zu Ende sein können, doch Rose Budge blieb sitzen. Der Anwalt wartete einen Moment, dann fragte er vorsichtig nach.
    »Ihnen liegt trotzdem noch etwas auf dem Herzen.«
    »Vielleicht.«
    »Sie fürchten, Sie könnten mit Ihrer Weigerung auf Unmut stoßen?«
    »Ich habe keine Angst vor meinem Pächter, wenn Sie das meinen.«
    »Daran hätte ich nie gedacht«, sagte der Anwalt beschwichtigend.
    »Ich war lange Jahre abwesend«, sagte Rose Budge ein wenig traurig. »Die Hälfte der Menschen, die ich von früher kenne, sind tot. Ich lebe in meiner Heimat unter Fremden. Aber sehen Sie, ich muss mit ihnen leben.«
    »Richtig.«
    »Wenn mein Mann noch lebte, wäre alles anders. So merkwürdig es klingt, aber ich kenne Fintan O’Byrne kaum. Ich erinnere mich an ihn als Kind, aber ich weiß nicht, was für ein Mensch er jetzt ist.«
    »Er hat keinen schlechten Ruf, sonst wüsste ich davon.« Der Anwalt überlegte. »In den Jahren Ihrer Abwesenheit hat sich natürlich viel geändert, und es wird sich wohl noch mehr ändern. Aber ich bin sicher, dass Sie sich in Rathconan bald so zu Hause fühlen werden wie früher. Die Menschen sind sich gleich geblieben. Wünschen Sie, dass ich mit O’Byrne spreche?«
    »Das mache ich besser selbst.«
    »Ganz Ihrer Meinung. Ich bin nächste Woche zufällig in der Nähe

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