Die Rebellen von Irland
von Rathconan. Ich könnte bei Ihnen vorbeisehen.«
Rose Budge bedeutete ihm mit einem Nicken, dass sie das Angebot dankbar annahm.
»Vielleicht darf ich Ihnen empfehlen, von Zeit zu Zeit Wicklow zu besuchen und auch Dublin? Dadurch können Sie in diesen wechselhaften Zeiten am besten Kontakt mit der öffentlichen Meinung halten.« Der Anwalt lächelte. »Dabei fällt mir ein, haben Sie schon das Neueste gehört? Ich habe es erst heute Vormittag erfahren.«
Rose Budge schüttelte den Kopf.
»Parnell ist gestorben. Er war seit einiger Zeit krank, wie Sie vielleicht wissen. Er starb in England, in Brighton, drunten an der Küste. Soviel ich weiß, war seine Frau, vormals Mrs O’Shea, bei ihm.« Er seufzte. »Dabei war er erst fünfundvierzig.«
Es war noch hell, als Rose Budge nach Rathconan zurückkehrte. Sie ließ Fintan sofort rufen. Er kam wieder in Begleitung des Jungen und sie wusste wieder nicht, warum.
»Bedaure, Fintan«, sagte sie, »aber ich kann Ihnen das Land nicht verkaufen. Jedenfalls jetzt noch nicht.«
»Tut mir leid, das zu hören, Mrs Budge.«
Sie gab mit einem Nicken zu verstehen, dass sie nichts weiter zu sagen hatte. Dann, als er sich schon zum Gehen wandte, fiel ihr noch etwas ein. »Ich habe heute übrigens in Wicklow erfahren, dass Parnell gestorben ist.«
»Gestorben?« Fintan zuckte zusammen wie unter einem Schlag, dann verbeugte er sich und ging ohne ein weiteres Wort.
Rose Budge sah ihm nach. Den Jungen beachtete sie nicht.
***
Willy hatte das Gespräch aufmerksam verfolgt und gehört, wie Mrs Budge den Wunsch seines Vaters, sein Land zu kaufen, zurückwies. Außerdem schien ihm, als habe Mrs Budge seinen Vater mit ihrer beiläufigen Erwähnung von Parnells Tod bewusst kränken und demütigen wollen. Auf dem Heimweg merkte er, dass sein Vater den Tränen nahe war. Er wagte es deshalb nicht, ihn anzusprechen.
Am folgenden Tag hörte er seinen Vater bekümmert zu seiner Mutter sagen: »Solange diese Frau lebt, bekommen wir unser Land nicht zurück.«
Zwei Wochen später sagte sein Vater zu ihm: »Du wirst zu deiner Tante in Dublin fahren, Willy, und dort in die Schule gehen.«
»Aber ich will zu Hause bleiben«, rief der Junge.
»Es ist zu deinem Besten, Willy. Du sollst eine Ausbildung haben. Ich weiß, dass du ein guter Schüler sein wirst. Und in den Ferien kommst du immer zu uns nach Hause.«
Willy hätte nicht sagen können warum, aber er war überzeugt, dass zwischen dem Gespräch seines Vaters mit Mrs Budge und seiner Verbannung von zu Hause ein Zusammenhang bestand.
* 1903 *
Sheridan Smith blickte durch das große Fenster in den Nebel hinaus und überlegte, ob alle sein Haus finden würden. Wahrscheinlich, denn schwer war es nicht zu entdecken: vom St. Stephen’s Green die Baggot Street entlang, über den Kanal und nach einer weiteren Achtelmeile rechts. Ein Kinderspiel. Außerdem begann der Nebel sich zu lichten. Vor einer Stunde hatte man nicht einmal das Haus auf der anderen Straßenseite gesehen.
Er gestand es sich nur ungern ein, aber ein wenig aufgeregt war er nun doch. Denn der Graf kam. Und der Graf war noch nie bei ihm zu Gast gewesen.
Die Wellington Road war eine freundliche Straße. Sie war breit, von kleinen Bäumen umsäumt und wirkte mit ihren Häuserzeilen hinter lang gestreckten Rasenstücken und Kieswegen fast wie ein belaubter Pariser Boulevard. Sie war Teil des prosperierenden Familienbesitzes der Pembrokes, zu dem die beiden früheren Dörfer Ballsbridge und Donnybrook gehörten. Zusammen mit Ranelagh und Rathmines im Westen bildeten sie eine Kette vornehmer Vorstädte südlich des Grand Canal, kaum eine Meile vom St. Stephen’s Green entfernt. Anwälte, Beamte, Bankiers und andere, darunter mehr Protestanten als Katholiken, wohnten dort. Sie brauchten nicht die Kommunalsteuern der alten Stadt zu zahlen oder den Armen zu begegnen, die deren Mietshäuser und Straßen bevölkerten.
Sheridan Smith und seine Familie pflegten zum sonntäglichen Lunch Gäste einzuladen, und gewöhnlich versammelte sich eine interessante Gesellschaft. Diese Gewohnheit hatten die Smiths von den Mountwalshs übernommen.,
Stephen Smith und Maureen Madden hatten ohne Frage eine erfolgreiche Familie begründet. Sie hatten drei Kinder: Mary, in einigem Abstand gefolgt von den beiden Jungen Sheridan und Quinlan. Stephen hatte für den Rest seines Arbeitslebens die Güter der Mountwalshs verwaltet, und der häufige Kontakt mit dieser in die Adelsränge aufgestiegenen
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