Die Rebellen von Irland
heraus. Er hatte graues Haar und ein freundliches Gesicht und war ein wenig korpulent. Er schloss die Tür hinter sich mit einem Knall, zog eine kleine silberne Uhr aus der Tasche, warf einen Blick darauf und lächelte.
»Du bist pünktlich«, sagte er überrascht. Er wies mit einem Nicken auf die geschlossenen grünen Läden. »Der Buchladen meines Bruders. Kennst du meinen Bruder?«
Willy hatte zumindest viel über ihn gehört. MacGowans Buchladen war eine Welt für sich, über die der jüngere Bruder des Priesters stumm präsidierte. Wagte es jemand, ein Buch zu berühren, so schloss er ein Auge und starrte den Übeltäter mit dem anderen an. Man nannte ihn deshalb den Zyklopen. Doch hatte Willy auch gehört, dass er zu den Kunden, die ihm gefielen, sehr freundlich war.
»Nicht persönlich«, antwortete er.
Der Priester schritt bereits munter aus, und Willy ging an seiner Seite.
»Wir sind zu dritt, musst du wissen«, erklärte er. »Mein älterer Bruder hat den Hof übernommen, den mein Vater droben in der Grafschaft Meath gekauft hat.« Er zeigte mit der Hand in die ungefähre Richtung der Stadt Tara. »Ich wurde Priester und mein jüngerer Bruder hat den Laden. Deiner Tante und deinem Onkel geht es hoffentlich gut?«
Willys Onkel, der die Schwester von Willys Vater geheiratet hatte, arbeitete in der Brauerei Guinness. Besser konnte man es nicht treffen. Wer dort arbeitete, hatte fürs ganze Leben ausgesorgt. Er verdiente gut, und es fehlte ihm an nichts. Wie ein gewaltiger, weihrauchgeschwängerter Tempel, eine dritte, überkonfessionelle Kathedrale ragten die Brauereigebäude westlich der Burg in Richtung der Kilmainham-Kaserne auf. Das war nicht unbedingt vorauszusehen gewesen, als der 34-jährige Arthur Guinness 1759 am Dubliner St.-James-Tore die Pacht für eine kleine, stillgelegte Brauerei erworben hatte. Arthur musste sich seiner Sache sehr sicher gewesen sein, denn er schloss den Pachtvertrag für die nächsten 9000 Jahre ab, obwohl es damals schon 200 Brauereien in Irland gab. Zunächst braute er das damals übliche Ale, dann führte er ein starkes Bier aus England ein, das er Porter nannte – nach den Lastenträgern auf den Londoner Fisch- und Gemüsemärkten. Um konkurrenzfähig zu bleiben und seine kleine Kinderschar, 21 an der Zahl, zu ernähren, braute Arthur Guinness schließlich ein noch stärkeres Bier, das Extra Stout, hergestellt aus Hopfen, gerösteter Gerste, Hefe und reinstem Dubliner Wasser. Es war lakritzschwarz, der Schaum cremig weiß. Seit 1833 war Guinness die größte Brauerei Irlands und auch die sozialste – die Löhne lagen weit über dem Durchschnitt. Die medizinische Versorgung des Personals, aus welchen Gründen auch immer, übrigens auch. Die Brauereipferde und die auf dem Liffey schwimmenden Flöße mit den Guinness-Fässern waren aus dem Stadtbild Dublins nicht mehr wegzudenken. Verschiedene Generationen derselben Familien arbeiteten bei Guinness in dem beruhigenden Wissen, dass die heilige schwarze Flüssigkeit, die sie herstellten, das Lebenselixier der Menschen war. Hatte sein Vater gehofft, dass sein Onkel, der nur zwei Töchter, aber keinen noch lebenden Sohn hatte, ihn dort unterbringen könnte? Hatte sein Vater vielleicht gegenüber seinem Onkel eine derartige Andeutung gemacht? Damals an jenem Tag, an dem Willy in die Stadt gekommen war und sein Vater ihn, wie es sich für einen Vater gehörte, zusammen mit seinem Onkel in den Pub mitgenommen hatte, wo er zum Zweck seiner Aufnahme in die Welt der Männer einen Humpen Bier geleert hatte? Willy wusste es nicht, jedenfalls war es nie zu einem entsprechenden Angebot gekommen, und er war insgeheim froh darüber. Zwar hatte er nicht das Geringste gegen die Brauerei einzuwenden, doch wäre es ihm peinlich gewesen, ein solches Geschenk ablehnen zu müssen.
»Ja, Father.«
Es ging ihnen gut, sehr gut sogar, in jeder Beziehung.
»Und deinen Cousinen? Soviel ich weiß, hat dein Onkel drei Töchter.«
»Geht es auch gut.« Hervorragend. Während für Männer die Brauerei Guinness das Ziel der Träume war, stand das Pendant für Frauen eine halbe Meile südlich von der Burg, in der Nähe der St.-Patricks-Kathedrale. Dort erhob sich ein zweiter Tempel: Jacobs Keksfabrik.
Die Quäker leisteten schon lange in aller Stille einen Beitrag zu Handel und Wohlfahrt Irlands. Einige waren durch ihre Tüchtigkeit zu wahren Patriarchen aufgestiegen, darunter die sehr vermögenden Jacobs, Newsoms und Bewleys. Jacobs Cream Cracker
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