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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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und die bunten Keksdosen waren auf der ganzen Welt bekannt. Und die Jacobs waren, wie bei Quäkern üblich, gute Arbeitgeber. Rund vierzehnhundert Männer und Frauen arbeiteten in Dublin für sie, und für das Weihnachtsgeschäft wurden weitere Arbeiter eingestellt. Natürlich bekamen die Frauen weniger Geld als die Männer. Die Herren der Schöpfung wären sonst empört gewesen. Doch zwei der drei Töchter von Willys Tante arbeiteten im Ackord in der Bäckerei und verdienten gut dabei.
    »Wir kommen der Sache näher«, sagte Father MacGowan, als sie in die Kildare Street einbogen. An der Ecke erhob sich, mit seinem dunkelroten Ziegelportal und den höhlenartigen Marmorsälen einem phantastischen orientalischen Palast ähnlich, der Kildare Street Club, eine Bastion gesellschaftlicher Macht. Ob Father MacGowan diesen Pub betreten durfte?, überlegte Willy. Wahrscheinlich nicht.
    Sie kamen an der Nationalbibliothek vorbei, am Herzogspalast und am Nationalmuseum. Sie gelangten zum Ende der Straße und auf den St. Stephen’s Green. »Aha«, sagte Father MacGowan, »das Shelbourne Hotel. Dort lernt man die besten Leute kennen.« Und für Willy einigermaßen überraschend fügte er hinzu: »Du hast wahrscheinlich nie daran gedacht, in den Priesterstand einzutreten?«
    Willy hatte nicht die besten Schulen besucht, die der Jesuiten, doch die Christlichen Brüder hatten ihn gründlich unterrichtet, wenn auch oft unter Zuhilfenahme der Rute. Er galt als intelligent und kam deshalb für den Priesterberuf in Frage. Auch dieser Stand bot Sicherheit, vielleicht noch mehr als die Brauerei. Priester waren geachtet und der Stolz ihrer Angehörigen. Von der eigenen seelischen Läuterung ganz zu schweigen.
    »Ich würde eines Tages gern heiraten«, antwortete er.
    »Jedenfalls«, sagte Father MacGowan, »werden wir bei Sheridan Smith bestimmt hervorragend speisen.«
     
    Oliver St. John Gogarty war Gelehrter, Dichter und Sportler in einem. Mahaffy vom Trinity College hielt ihn für den besten Studenten, den er je gehabt hatte, und Mahaffy hatte auch Oscar Wilde unterrichtet – obwohl dessen Name in Dublin tabu war, seit er 1895 in einem Skandalprozess vielfacher homosexueller Affären überführt worden war. Gogarty hingegen hatte dreimal den Preis für Dichtung gewonnen, eine ganz erstaunliche Leistung. Er bevorzugte griechische Metren vor den gängigen englischen Pentametern und war obendrein ein Spaßmacher. Mit seinen dunkelblauen Augen und den dicken braunen, golden schimmernden Haaren sah er vielleicht nicht wie ein griechischer Gott aus, aber doch wenigstens wie ein irischer Held.
    »Ich hätte gern meinen Freund James Joyce mitgebracht«, sagte er munter zu seinem Gastgeber, nachdem er sein Fahrrad abgestellt hatte. »Aber er wollte nicht.«
    Sheridan Smith war das nicht unrecht. Er kannte Joyce nicht, wusste aber, das Oliver Gogarty, der sehr freizügig mit Komplimenten war, den jungen Mann für ein Genie hielt und bei jeder Gelegenheit rühmend von ihm sprach. Dabei konnte man den jungen Joyce sicher nicht mit Gogarty vergleichen. Außerdem war Gogarty ein Gentleman, der arme Joyce aber nicht.
    »Father MacGowan bringt einen mittellosen Studenten mit«, sagte er. »Wären Sie so nett, sich um ihn zu kümmern, wenn ich beschäftigt bin?«
    ***
    Willy O’Byrne näherte sich dem Haus mit einiger Beklemmung. Es war sehr freundlich von Father MacGowan, dass er sich für ihn interessierte. Schließlich kannte er ihn nur, weil er gelegentlich an seiner Schule unterrichtete. Abgesehen von dem Priester und seiner Familie, deren Mittel sehr beschränkt waren, hatte Willy niemanden, der ihm bei seinem Fortkommen in der Welt helfen konnte. Als er jetzt in die Wellington Road einbog und die großen Häuser sah, die aus dem Nebel gelangweilt auf ihn niederblickten, fiel ihm plötzlich ein, dass er noch nie in einem solchen Haus gewesen war. Der Priester schien zu hoffen, dass ihr Gastgeber etwas für Willy tun könnte. Aber wenn er nun einen schlechten Eindruck machte? Interessierte sich der Priester dann nicht mehr für ihn? Was sollte er sagen?
    »Hör den anderen einfach zu«, sagte Father MacGowan, als könnte er seine Gedanken lesen. »Und antworte höflich, wenn du angesprochen wirst. Du wirst deine Sache gut machen, sonst hätte ich dich nicht mitgenommen. So, da wären wir.«
    Drei Minuten später hörte er mit bleichem Gesicht den anderen zu, als ginge es um sein Leben. Er hatte sich noch nie in Gesellschaft eines Grafen

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