Die Rebellen von Irland
dasselbe sagen können. Aber wissen Sie, was ich am meisten fürchte, wenn wir erst unabhängig sind?«
»Nein«, sagte Sheridan Smith lächelnd, der seine Freude an dem Wortwechsel hatte, »aber Sie werden es uns bestimmt gleich sagen.«
»Die schreckliche Lady Gregory«, sagte Gogarty leidenschaftlich.
»Das ist ungerecht«, sagte Sheridan Smith. »Und grausam, Gogarty.« Einige lachten, Willy aber schaute ganz ernst. Er wusste zwar, dass Gogarty die Bemerkung halb im Scherz gemacht hatte, doch sie kränkte ihn trotzdem.
Lady Gregory, eine verwitwete Grundbesitzerin aus Galway, hatte sich vorgenommen, die irische Sprache zu erlernen.
Damit war sie nicht allein. Es gab inzwischen eine ganze Bewegung, die das reiche keltische Erbe Irlands wiederbeleben wollte. Die Kunstwerke wie die herrlichen alten illustrierten Bücher und die keltischen Kreuze mit ihren verschlungenen Mustern waren leicht zu bewundern. Mit dem Wort verhielt es sich anders: Das Irische war, außer für Muttersprachler, schwer zu erlernen. Es war im Westen die vorherrschende Sprache gewesen, doch der Exodus und die Vertreibungen im Gefolge der großen Hungersnot hatten die Verbreitung des Gälischen auf einige Ecken von Connacht beschränkt. Viele hatten schon befürchtet, die Sprache könnte aussterben.
Doch engagierte Menschen hatten sie gerettet. Der Dichter Yeats hatte sich von ihr und ihren Sagen und Märchen anregen lassen. Hyde, ein protestantischer Pfarrerssohn mit einer deutschen Frau, hatte bereits 1893 die Gälische Liga, die Conradh na Gaeilge gegründet, um die alte Sprache vor dem Aussterben zu bewahren, und jetzt wurde sie überall hochgehalten. Mit seiner Ankündigung, die irische Nation »ent-anglisieren« zu wollen, hatte Douglas Hyde sogar für einen Skandal am Trinity College gesorgt.
Doch die wichtigste Aufgabe hatte in Willys Augen Lady Gregory, obwohl nur eine Frau, gelöst. Sie hatte sich nicht nur mit der gesprochenen Sprache beschäftigt, sondern auch mit den oft dunklen und komplexen Geschichten der mittelalterlichen Manuskripte. Sie hatte alte irische Sagen und Märchen wiederentdeckt und ins Englische übersetzt, die kurz nach dem Tod des heiligen Patrick aufgeschrieben worden waren. Die erste Sammlung, die den Helden Cuchulainn zum Thema hatte, war vor einem Jahr erschienen. Ein Freund hatte sie Willy ausgeliehen und er hatte sie begierig gelesen. Eine zweite Sammlung sollte in Kürze erscheinen.
»Lady Gregory hat uns unsere alten Helden wiedergegeben«, sagte er leise.
»Das bestreite ich nicht«, erwiderte Gogarty. Er lächelte verschmitzt. »Ist Ihnen übrigens schon aufgefallen, dass die begeistertsten Verfechter der irischen Sprache alle englische Namen tragen? Yeats, Gregory, Hyde? Aber ich will Ihnen meine Einwände gegen Lady Gregory darlegen. Ich habe zwei. Der erste betrifft ihre Sprache. Sie sagt, es sei die Sprache der Bewohner von Kiltartan. Das mag sein, aber wenn man die Syntax des Irischen unverändert ins Englische übernimmt, klingt das unnatürlich und gestelzt. Und wenn das seitenlang so geht, wird es unerträglich. Ich darf das sagen, denn mein Name Gogarty ist ganz gewiss keltischen Ursprungs. Und ich will auch nicht, dass meine Vorfahren alle dem Dialekt von Kiltartan zugeschlagen werden. Yeats, der sich in Altirisch genauso gut auskennt wie Lady Gregory, macht solche Mätzchen nicht. Er schreibt modernes Englisch. Aber er ist ein großer Dichter.«
Willy schwieg. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Father MacGowan sprang ihm bei.
»Zugegeben, bis zu einem gewissen Punkt«, sagte er. »Doch ich schließe aus Ihren eigenen hervorragenden Gedichten, dass Sie die üblichen, langweiligen Pentameter des Englischen, wie es von den Engländern gesprochen wird, ablehnen. Das von Iren gesprochene Englisch hat einen besonderen Reichtum und eine unübertroffene rhythmische Schönheit. Trotzdem hat Lady Gregory, was immer ihre Beschränkungen sein mögen, Irland einen großen Dienst erwiesen, der Beifall verdient, nicht Spott.«
»Ich gebe Ihnen Recht. Doch hören Sie meinen zweiten Einwand. Ich fürchte die Wiederbelebung des Gälischen, für die Lady Gregory eintritt, weil man das Gälische nicht mit Irland gleichsetzen darf.« Er machte eine wirkungsvolle Pause.
Willy runzelte die Stirn. Die Wiederbelebung des Gälischen beschränkte sich keineswegs nur auf die Literatur. Für die meisten Menschen waren damit gälische Sportarten verbunden wie das alte und vornehme Spiel des mit
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