Die Rebellen von Irland
offen. Die Gefahr eines inneren Konflikts war zumindest vorerst gebannt. John Redmond forderte alle, die sich der irischen Freiwilligenmiliz angeschlossen hatten, zum Eintritt in die britische Armee auf: »Die Briten haben uns die Freiheit versprochen. Helfen wir ihnen bei ihren Kriegsanstrengungen, auf dass wir möglichst bald frei sind.« Zehntausende Iren, Protestanten wie Katholiken, verpflichteten sich freiwillig. Sheridan Smith zeigte sich davon zutiefst gerührt, und ihm war trotz des Krieges ein wenig leichter ums Herz.
Auch in seinem privaten Leben begann eine Zeit unerwarteten Glücks. Die Ursache dafür war Caitlin.
Ihr Interesse für das Theater hatte sich glücklicherweise nicht zu einer Besessenheit entwickelt. Es hatte ihr höchstens bei den Schulaufgaben geholfen. Jedenfalls waren die Dominikanerinnen von der Eccles Street, zu denen Caitlin in die Schule ging, mit ihr sehr zufrieden. Mit sechzehn erklärte Caitlin, nach Beendigung der Schule an der St.-Mary’s-Universität moderne Sprachen studieren zu wollen. Sie war ein schönes und aufgewecktes Mädchen. Als Ende 1914 die alte Maureen Smith heftig erkrankte, pflegte sie Caitlin in der Zeit bis zu ihrem Tod. Wenig später fuhr ihre Mutter für einen Monat nach England. Sie hatte keine Bedenken, die inzwischen siebzehnjährige Caitlin im Haus am Fitzwilliam Square zurückzulassen. Natürlich kümmerte sich das Personal um sie und Sheridan sah jeden Tag nach ihr. »Aber im Grunde würde sie auch ohne uns hervorragend zurechtkommen«, sagte ihre Mutter.
Caitlin war den Töchtern Erins beigetreten. Sheridan hatte es mit zwiespältigen Gefühlen zur Kenntnis genommen, doch als er sie danach fragte, hatte sie nur gelacht und gesagt: »Ich unterrichte Kinder, die nicht lesen und schreiben können, in der irischen Sprache.« Das stimmte auch zweifellos. Sheridan hatte allerdings gehört, dass einige Frauen der Organisation weniger harmlosen Tätigkeiten nachgingen.
Die Arbeiterbewegung hatte in den vergangenen Jahren rasch an Bedeutung gewonnen. Die Gewerkschaft residierte in einem großen Gebäude namens Liberty Hall an den Quais. Die Bewegung hatte einen neuen Anführer – einen sozialistischen Heißsporn namens James Connolly. 1913 entfesselte er einen großen Streik für bessere Arbeitsbedingungen. Viele Betriebe blieben wochenlang geschlossen. Auch die alte Keksfabrik war davon betroffen. Einige Töchter Erins nahmen an den Streiks teil. Sie hatten mit der Sinn Fein und anderen zweifelhaften Organisationen zu tun. »Pass auf, mit wem du dich anfreundest«, ermahnte Sheridan Caitlin. Doch Caitlin war ein vernünftiges Mädchen, deshalb machte er sich keine ernsthaften Sorgen.
Im Sommer 1915 fuhr er mit Caitlin und ihrer Mutter in die Wicklow-Berge. Die Reise hatte ein doppeltes Ziel: die malerischen Ruinen Glendaloughs und Rathconan. Der Graf hatte überraschenderweise zeit seines Lebens nicht daran gedacht, das Gut seiner Vorfahren zu besuchen, deshalb waren auch Caitlin und ihre Mutter nie dort gewesen. Vor allem Caitlin hatte auf die Reise gedrungen. Der Besuch des alten Klosters und der beiden Seen war ein großer Erfolg, doch bei ihrer Ankunft in Rathconan geriet Caitlin erst recht ins Schwärmen. Auch die exzentrische Hausherrin mit dem Turban hielt sich in Rathconan auf. Sheridan hatte ihrem Empfang mit einigem Bangen entgegengesehen, doch als die alte Rose Budge hörte, wer sie waren, zeigte sie ihnen bereitwillig das Gut. Sie brauchten sich nicht einmal einen Vortrag über Seelenwanderung anzuhören. Als Caitlin allerdings gegen Ende ausrief: »Ach, wie gerne würde ich hier leben!«, erwiderte die alte Dame scharf: »Die Budges werden noch lange nach meinem Tod hier wohnen, es gibt hier also keinen Platz für dich.« Verwirrenderweise hatte sie hinzugefügt: »Auch ich werde hierbleiben. Ich werde als Falke über die Berge fliegen und Mäuse fressen.«
Sheridan hatte immer gemeint, Rose Budge sei die Letzte ihrer Familie. Doch als er seinen Bruder Quinlan einige Wochen später danach fragte, sagte dieser: »Das habe ich auch geglaubt. Doch wie sich herausstellte, hatte der Großvater einen jüngeren Bruder, der vor vielen Jahren nach England ausgewandert ist. Es gibt einen Großcousin der alten Frau, einen Budge, der wiederum einen Sohn hat. Die beiden kennen sich nicht und der Sohn weiß nichts von ihr, aber sie wird ihm Rathconan vererben.« Quinlan schüttelte den Kopf. »Sie steckt voller Überraschungen.«
»Wusstest du, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher