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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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aufgehängt hatte.
    »Es ist schon beinahe Mittag«, sagte er. »Lasst uns gemeinsam essen.« Anne hatte den Morgen sehr genossen. Sie hatte die meiste Zeit in der Küche bei den Dienstboten verbracht, die das Mittagessen vorbereiteten. Kathleen, die älteste Magd, war bereits seit Annes Kindheit im Haus, und sie begrüßten einander freundschaftlich mit einem Kuss. Es war schön, einfach zuzuhören, wie die Frauen im vertrauten Fingal-Dialekt miteinander sprachen. Anne half gern dabei, den Tisch zu decken, und freute sich über die vertrauten Gegenstände aus ihrer Familie: das schwere Salzfässchen, das auf dem Tisch den Ehrenplatz bekam; die bronzenen Kerzenständer; das Zinngeschirr und den silbernen Krug mit dem eingravierten Familienwappen, aus dem früher ihr Vater getrunken hatte und den heute Orlando benutzte.
    Außerdem hatten sich viele Gespräche ergeben, sodass sie am Mittag über allen Klatsch und jede Familie aus der Gegend im Bilde war. Auch über ihre eigene Familie wurde viel gesprochen. Und was die Walshs anging, gab es in der Küche nur ein einziges Thema:
    »Wir warten auf ein Baby im Haus«, vertraute Kathleen ihr an.
    Es war merkwürdig und ein wenig enttäuschend, dass ihre Schwägerin Mary noch immer nicht empfangen hatte. Orlando war nun schon seit drei Jahren mit ihr verheiratet, und Anne wusste, wie leidenschaftlich ihr Bruder sich Kinder wünschte. Alle Walshs hatten bis dahin immer viele Kinder gehabt, und auch Mary stammte aus einer großen Familie. Anne nahm auch an, dass am Eheleben ihres Bruders alles in Ordnung war.
    »Deshalb ist sie auch nicht hier«, flüsterte Kathleen Anne zu, als die anderen Frauen außer Hörweite waren. »Erst letzten Monat standen wir gemeinsam in der Küche, da drehte sie sich plötzlich zu mir um und fragte: ›Warum habe ich kein Kind, Kathleen? Kannst du mir das sagen?‹ Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. ›Wir versuchen es wirklich‹, sagte sie. Und dann fing das arme Ding an, bitterlich zu weinen. Sie hat nicht gesagt, warum sie zu ihrer Mutter fahren will, aber sie will sicher mit ihr darüber reden. Schließlich hat ihre Mutter zehn Kinder großgezogen.«
    Anne hatte Mitleid mit ihrer Schwägerin und nahm sich vor, sie zukünftig öfter zu besuchen und ihr Gesellschaft zu leisten. Aber ich zweifle daran, dass ich ihr Ratschläge über die Ehe geben kann, dachte sie. Um ihren Bruder machte sie sich große Sorgen. Er hatte zwar nicht einmal ihr gegenüber irgendwelche Andeutungen gemacht, aber wenn seine Frau so sehr unter ihrer Kinderlosigkeit litt, dann musste Orlando insgeheim unsäglich traurig sein. Sie fragte sich, ob sie ihn darauf ansprechen sollte. Vielleicht war es besser, sie wartete darauf, dass er den ersten Schritt unternahm.
    Das Essen, zu dem sie sich kurz nach Mittag versammelten, bestand aus dem Besten, was Fingais Küche zu bieten hatte. In der Gegend gab es reichlich Fisch und Meeresfrüchte: Bei Malahide gab es ausgezeichnete Austernbänke; in Howth wurden Herz- und Miesmuscheln gesammelt; der gesalzene Hering stammte aus Clontarf im Süden. Der Hauptgang bestand aus gepökeltem Schweinefleisch, Rind und Ente, wozu Blutwurst, Erbsen und Kohl gereicht wurden. Und dann war da noch ein weiteres Gemüse, das besonders den Iren O’Byrne faszinierte, der es noch nie gekostet hatte: die Kartoffel, ein neues Gewächs aus Amerika.
    »Ich habe vor ein paar Jahren einen Viertelmorgen davon angepflanzt«, erklärte Orlando, der immer versuchte, an den neuesten Entwicklungen teilzuhaben. »Ich bin bis jetzt der Einzige in Fingal, der sich daran gewagt hat. Und doch ernährt die amerikanische Kartoffel pro Morgen mehr Menschen als jede andere Feldfrucht.«
    ***
    Um halb drei erklärte Walter Smith gutmütig: »Entweder machen wir jetzt einen Spaziergang, oder ich muss mich hinlegen.«
    »Wir machen einen Spaziergang zum Meer«, entschied Orlando.
    Anne begleitete die Männer gerne. Sie folgten dem Pfad, der durch die Felder nach Portmarnock und ans Meer führte. Hier hatte sich nichts verändert, weder die Weizen- und Gerstefelder in der Nähe des Hauses, noch die weiten, sanft zum Meer hin abfallenden Wiesen, auf denen Schafe und Rinder grasten.
    Orlando und O’Byrne gingen voraus, gefolgt von Lawrence und Doyle. Obwohl Lawrence seine Soutane trug, hatte er Orlandos Vogelflinte – ein prächtiges Steinschlossgewehr aus Frankreich – mitgenommen. Er wollte einige Enten schießen, um sie ins Dubliner Jesuitenhaus mitzunehmen.

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