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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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fahren«, schlug sie vor.
    Aber Walter antwortete nicht.
    ***
    An einem schönen Sonntagmorgen im Juni des Jahres 1627 lief Simeon Pincher vom Trinity College zur Christ-Church-Kathedrale. Sein Gang verriet immer Entschlossenheit, aber heute marschierte er wie ein Held aus uralten Zeiten, wie Hector oder Achilles, in die Schlacht. Tatsächlich stand er vor der größten Schlacht seines Lebens. Heute würde er sich mit einer einzigen mutigen Tat an die Spitze der gesamten protestantischen Gemeinde Dublins, ja, vielleicht sogar ganz Irlands, stellen.
    Auf dem Weg durch das östliche Stadttor die Dame Street hinauf hörte er mit tiefer Befriedigung, dass die große Glocke der Kathedrale bereits läutete. »Ich werde für Euer Ehren die Glocke zehn Minuten länger läuten«, hatte Tidy ihm versprochen. »Durch Eure Predigt wird es ein großer Tag werden, Sir.« Er durfte nicht vergessen, Tidy für seine Güte einen Schilling zuzustecken, dachte Pincher. Vielleicht sogar zwei.
    Auf diese alles entscheidende Schlacht hatte er sich wie ein guter General sorgfältig vorbereitet. Zuerst einmal war der Zeitpunkt hervorragend gewählt. Seit Monaten beobachtete der Kirchenrat der Kirche von Irland besorgt, dass die katholische Gemeinde sich Hoffnungen auf direkte Hilfe vom König machte. Und in den vergangenen Wochen hatten die Anträge, die Männer wie Orlando Walsh zusammengetragen hatten, diese Besorgnis in den protestantischen Zirkeln alarmierend verstärkt. Alle waren sich einig, dass etwas geschehen musste.
    Außerdem hatte Pincher sich sein Schlachtfeld sorgfältig ausgesucht. Er wagte keinen Vorstoß in unerobertes Territorium. Den Brückenkopf hatte bereits im April der kompromisslose protestantische Bischof von Derry gebildet. Er war nach Dublin gekommen und hatte eine vernichtende Predigt darüber gehalten, wie sündhaft es sei, den Katholizismus zu tolerieren. Die Predigt wurde mit großem Beifall aufgenommen, zeitigte jedoch noch keine praktischen Konsequenzen. Das sollte sich nun ändern. Viele hohe Abgeordnete würden dem Gottesdienst beiwohnen. Auch in den Bänken hatte Pincher viele seiner Anhänger untergebracht, und Männern wie Doyle hatte er ausrichten lassen, dass sich an diesem Morgen in der Kathedrale etwas Bedeutendes zutragen werde.
    Als der Kirchenbezirk in Sichtweite rückte, bemerkte der Prediger erfreut, dass auch einige katholische Ratsherren – die sich normalerweise in einem Gasthaus betranken, bis die Predigt vorbei war – neugierig vor der Kathedrale warteten. Nach dem Gottesdienst würden diese Männer seine Todfeinde sein. Umso besser. Er wollte das Hauptziel ihres Hasses werden, denn das würde ihn zum Anführer machen.
    Die protestantische Armee brauchte einen solchen Anführer. Was er heute vorhatte, würde alle Zweifel, die seine Schwester in England an ihm hegte, für immer aus dem Weg räumen.
    Die Kirche war zum Bersten gefüllt. Alles war vertreten: treue Seelen wie Tidy, seine Frau und Pinchers Freunde von Trinity, Angehörige der Kirche von Irland wie Doyle und sogar bekennende katholische Kaufleute wie Walter Smith und seine Frau. Und wie er gehofft hatte, waren auch viele Männer aus der Dubliner Burg gekommen. Sein Plan war aufgegangen. Sie alle wollten hören, was er zu sagen hatte.
    Der Morgengottesdienst in der Christ-Church-Kathedrale war immer beeindruckend. Der Chor war ausgezeichnet. Vor zehn Jahren war eine Orgel angeschafft worden, und der Kantor und der Organist setzten zuweilen auch andere Musiker ein, heute zum Beispiel Gamben, Posaunen und Kornetts. Pincher war eigentlich gegen solche Ausschmückungen. Seiner Meinung nach waren sie zu üppig und pompös für einen protestantischen Gottesdienst. Aber sonst war die Christ-Church-Kathedrale vorbildlich ausgestattet. Der schlichte, schmucklose Abendmahlstisch stand bescheiden in der Mitte des Chores. Nur wenige Kerzen und kaum Ornamente. Es war offensichtlich, was das Wichtigste am ganzen Gottesdienst war: weder der Chor noch der Altar, nicht einmal die Gebete. Das Zentrum eines protestantischen Gottesdienstes war die Kanzel.
    Vielleicht gingen Katholiken ja in die Kirche, um flackernde Kerzen und die heilige Hostie zu sehen und sich in Wundern und Geheimnissen zu verlieren. Presbyterianer gingen jedenfalls in die Kirche, um eine Predigt zu hören.
    Und eine Predigt sollten sie bekommen. Zum verabredeten Zeitpunkt erhob sich Pincher von seinem Sitz und stieg die Stufen zur Kanzel hinauf. Sein Gesicht war bleich, sein

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