Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
Wentworth hatte die Geschäftsbücher der meisten Gilden beschlagnahmt und einer neuen protestantischen Gilde übergeben, die er eingerichtet hatte. Aber Walter hatte es geschafft, diese Dokumente zu verbergen. Die schwere, mit Bronze beschlagene Kassette stand in der Mitte des Raumes, und er schloss die drei Schlösser sorgfältig mit drei unterschiedlichen Schlüsseln auf. Sein Vater hatte diese Papiere aufbewahrt, weil sie das geheimnisvolle Mittelalter symbolisierten, und Walter wollte sie sich unbedingt auch selbst betrachten.
    In einem Dachgiebel befand sich eine verschlossene Öffnung. Walter klappte die Läden zurück, und Sonnenlicht strömte in den Raum. Er zerrte die Truhe zu dem großen, hellen Rechteck auf dem Boden, setzte sich daneben auf den Boden und nahm ein Dokument nach dem anderen heraus. Wie er erwartet hatte, enthielten die meisten Papiere Aufzeichnungen über unbedeutende Ereignisse und Auszahlungen sowie Verträge mit Handwerkern über die Instandhaltung der Votivkapelle und der Gräber der Bruderschaft. Nicht besonders interessant.
    Als er sich jedoch weiter vorarbeitete, stieß er auf ziemlich alte Dokumente. Er fand sich in der Regierungszeit Elisabeths wieder, dann in der von Mary, der Katholikin und dem Kindkönig Eduard VI. In dessen Regierungszeit waren offenbar ein Kelch, viele Kerzenhalter der Gilde und andere religiöse Objekte an einen sicheren Platz geschafft worden, da man fürchtete, die Protestanten würden versuchen, sie zu rauben. Als er bei der Regierungszeit von Heinrich Viii. angekommen war, stach ihm ein Dokument ins Auge, das sich von den anderen unterschied. Es bestand aus dickem, sorgfältig zusammengefaltetem Papier, das mit einem unberührten Siegel verschlossen war. Er nahm es aus der Truhe und hielt es ins Licht. Der Abdruck im Wachs musste von einem Stempel der Doyles herrühren. Auf der Rückseite las er die folgenden Worte in einer kühnen Handschrift, die ihm irgendwie bekannt vorkam:
     
    AUSSAGE VON MASTER MACGOWAN
    ÜBER DEN STAB
     
    Er fragte sich, was das bedeuten mochte. Welcher Stab? Vermutlich ein Werkzeug, das der Gilde gehörte. MacGowan war bestimmt ein Mitglied der Dubliner Kaufmanns- und Handwerkerfamilie gewesen. Die Informationen, die das Dokument enthielt, waren offenbar wichtig genug gewesen, um sie zu versiegeln. Natürlich war das an sich noch nichts Ungewöhnliches, trotzdem war der Inhalt vielleicht interessant. Er betastete das Siegel. Sollte er es aufbrechen? Eigentlich sprach nichts dagegen. Er war der Hüter der Truhe, und das Dokument war bestimmt schon hundert Jahre alt. Er strich mit dem Finger über das Wachs.
    »Walter?«
    Er drehte sich um. Es erstaunte ihn, dass er nicht gehört hatte, wie seine Frau die Leiter hinaufgeklettert war, aber da stand sie nun und sah ihn neugierig an.
    »Die Tür zum Dachboden war offen«, sagte sie. »Ich habe mich gefragt, warum. Was machst du denn hier?«
    »Ich schaue mir nur diese alten Papiere an.« Vor einem Jahr hätte er ihr das Dokument gezeigt, das er entdeckt hatte. Nun ließ er es einfach zurück in die Truhe fallen. »Warum? Hast du mich gesucht?«
    »Ja.« Sie zögerte und sah ihn an. Einen Augenblick lang kam es ihm vor, als sehe er den gleichen Ausdruck wie damals auf ihrem Gesicht, als er gemerkt hatte, dass etwas nicht stimmte. Sie versuchte, ihn einzuschätzen. Aber er sah noch etwas anderes. Sie versuchte zwar, es zu verbergen, aber es gelang ihr nicht ganz. Sie hatte Angst.
    »Warum hast du mich gesucht?«, fragte er freundlich.
    »Lass uns ins Wohnzimmer gehen, dann können wir uns setzen.«
    Er bewegte sich nicht.
    »Sind es schlechte Neuigkeiten?«
    »Nein, das glaube ich nicht.« Sie lächelte, aber in ihren Augen sah er immer noch Angst.
    »Sag es mir jetzt.«
    »Lass uns nach unten gehen.«
    »Nein«, sagte er freundlich, aber fest. »Ich habe hier noch einiges zu erledigen. Sag es mir bitte jetzt.«
    Sie zögerte noch kurz.
    »Wir werden noch ein Kind bekommen, Walter. Ich bin schwanger.«
    ***
    Walter hatte Lawrence aufgesucht und sich lange und offen mit ihm unterhalten. »Um der Ehre deiner Schwester Willen«, schloss er. »Zum Wohle der Kinder, und auch um meine Würde nicht zu verlieren.« Und mit aufrichtiger Bewunderung stimmte der Jesuit zu, alle seine Bitten zu erfüllen. Danach hatten sowohl Lawrence als auch Orlando die Smiths regelmäßig besucht, und bei so viel Familieneinigkeit kam es niemandem – jedenfalls niemandem aus Dublin – in den Sinn, das Kind

Weitere Kostenlose Bücher