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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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im Leib der tugendhaften Anne Smith könnte von einem anderen Mann als ihrem Ehemann gezeugt worden sein.
    ***
    In den ersten Monaten ihrer Schwangerschaft hatte Anne eine seltsame Mischung aus Freude und Einsamkeit gespürt. Sie hatte sich mit einem Spaziergang Mut gemacht und sich auf die Rolle vorbereitet, die sie spielen musste.
    »Es muss im April geschehen sein, bevor Maurice sich verletzt hat«, sagte sie auf dem Dachboden.
    »Ah.« Walter starrte auf die Truhe vor ihm. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos und verriet weder Freude noch Schmerz. »So muss es wohl sein.«
    Er sah sie nicht an. Langsam, beinahe abwesend legte er die Papiere sorgfältig wieder in die Truhe und schloss alle drei Schlösser nacheinander ab. Erst danach stand er auf, und während er sich erhob, sah er ihr in die Augen. Sein Blick war schrecklich. Sie begriff, dass er alles wusste, und sie erzitterte vor seinem Grimm.
    »Die Kinder werden sich darüber freuen, dass wir noch ein Kind bekommen«, sagte er leise. Dies war sowohl ein Akt der Gnade als auch ein Befehl, und sie wusste nicht, ob sie erleichtert sein sollte oder ob er ihr gerade ein Messer in die Brust gestoßen hatte. Sie hätte es weiß Gott verdient. Und als er auf sie herabsah, denn er war sehr viel größer als sie, dachte sie: Lieber Gott, er ist schrecklich. Schrecklich und gerecht. Man musste ihn einfach bewundern. Und sie bewunderte ihn. Aber sie fühlte nichts. Sie sah so deutlich wie nie zuvor, was für ein guter und edler Mann er war. Und fühlte nichts für ihn. Sie dachte nur an Brian O’Byrne. Es war sein Kind, davon war sie überzeugt. Während das Baby in ihr heranwuchs, sehnte sie sich nach O’Byrne. Sie stellte sich ihn in seinem Haus und in den Bergen vor. Oh, wie sie sich danach verzehrte, ihn zu sehen, seine Hand auf ihrem Bauch zu spüren. Sie wollte ihm das kleine Leben in ihr nahebringen, ihre Freude darüber mit ihm teilen. Seine Abwesenheit wühlte wie ein dumpfer Schmerz in ihrer Brust. Sie wollte ihm schreiben und entdeckte, dass das mit dem neuen Postamt auch ging. Sie verfasste einen Brief, der wie ein Geschäftsschreiben aussah und schickte ihm in vorsichtigen Worten die Bitte, er möge bald im Haus des Kaufmanns Smith vorsprechen. Und dann wartete sie. Heart over head, wie Lawrence sagen würde. Aber mit einer solch qualvollen Trennung und Unsicherheit hatte sie nicht gerechnet. Und doch würde sie noch einmal genauso handeln, denn die Affäre hatte sie innerlich befreit und ihr die Lebensfreude zurückgegeben. Sie war sich der Ironie wohl bewusst – diese Freude verdankte sie nur der Güte ihres Ehemannes –, aber dagegen konnte sie nichts ausrichten. So war das Leben nun mal. Mehr ließ sich nicht dazu sagen.
    Endlich kam er, mit Maurice. Er hatte klug an einem Ort in der Stadt gewartet, an dem ihr Sohn bestimmt vorbeikommen würde. Und mit einem Freudenschrei über das unverhoffte Wiedersehen hatte Maurice ihn sofort zu sich nach Hause eingeladen. Als sie einen Augenblick allein waren, erinnerte sie ihn: »Das Kind ist von dir, das weiß ich genau.« Und Brian hatte gelächelt.
    »Ich träume oft davon, mit dir zu fliehen«, gestand sie ihm. »Auf die alte irische Art mit dir in die Berge zu fliehen.«
    »Das traue ich dir sogar zu«, lachte er leise. »Wenn du könntest. Du bist sogar noch wilder als ich.«
    »Vielleicht mache ich es wirklich«, sagte sie.
    Er strich ihr liebevoll über das Haar.
    »Hier hast du es besser.«
    »Liebst du mich?«, fragte sie und sah ihn zweifelnd an.
    »Hast du ein so schlechtes Gedächtnis?« Er streichelte immer noch ihr Haar.
    »Ich werde allmählich richtig unförmig.«
    »Du bist überwältigend schön«, sagte er mit aufrichtigem Gefühl. »Wunderschön.«
    Sie hörten, wie Walter das Haus betrat. O’Byrne küsste sie sanft und verließ das Zimmer. Sie hörte, wie er draußen im Flur Walter gratulierte.
    Walter antwortete leise, aber fest: »Sie ist jetzt bei ihrer Familie.« Und sie wusste, dass O’Byrne nicht mehr in dieses Haus kommen würde.
    Du bist wunderschön. Diese bedeutungslosen Worte hatten sie in den folgenden Wochen immer wieder erfreut und getröstet.
    Als das Baby Ende Januar 1639 geboren wurde, machten alle großes Aufheben um den Kleinen. Die ganze Familie versammelte sich: Die Töchter neckten ihren Vater ein wenig über seine erstaunliche Manneskraft im Alter. Er ertrug es mit aufgesetzter Fröhlichkeit. Maurice sah immer wieder nach, ob das Baby vielleicht seine grünen

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