Die Rebellen von Irland
Augen hatte. »Die Augen von Babys sind meistens eine Zeit lang blau«, erklärte sie ihm. »Man weiß erst später, welche Augenfarbe sie wirklich haben. Aber die Augen des winzigen Jungen wurden nicht grün, sondern blieben blau.«
Erst eine Weile nach der Geburt merkte Anne, dass etwas nicht in Ordnung war.
Im Frühjahr 1639 war Lord Deputy Wentworth recht zufrieden mit dem Irland, über das er regierte. Nun gut, er hatte längst nicht alle seine Ziele erreicht. Die Plantations entwickelten sich leider nicht zu den protestantischen Musterkolonien, als die sie geplant worden waren. Diejenige in Galway war noch nicht einmal verwirklicht worden. In den Häusern der meisten Kaufleute oder Handwerker in Dublin hätte er bei einem unangemeldeten Besuch wahrscheinlich Hetzpamphlete gegen sich vorgefunden. Aber Pamphlete waren zurzeit groß in Mode, und ihm war es egal, dass ihn Protestanten und Katholiken gleichermaßen hassten. Er war nicht nach Irland gekommen, um sich beliebt zu machen. Er war hier, um dem König Geld zu beschaffen. Und um Ordnung ins Land zu bringen. »Und zwar gründlich«, wie er gern sagte. Ganz Irland mochte ihn hassen, aber wenigstens hatten die Leute Angst vor ihm, und auf der Insel herrschte Ruhe – was man vom Rest des Königreichs nicht gerade behaupten konnte.
Karls I. Versuche, die Schotten einzuschüchtern, waren kläglich fehlgeschlagen. Die Schotten hatten ihrem Covenant geschworen, dass die papistische Kirche des Königs nördlich der Grenze nicht Fuß fassen würde, und daran hatten sie sich gehalten. Sie gaben keinen Zoll nach. Im Frühling des Jahres 1639 entschied sich Karl I. dafür, den Schotten mit seiner militärischen Macht zu imponieren. Er begann, Truppen auszuheben und suchte nach Gentlemen, die sie anführen wollten. Keine leichte Aufgabe.
***
An einem milden Apriltag bot sich den Dublinern, die am alten Holzquai jene Boote betrachteten, die Passagiere an Land brachten, ein seltsames Schauspiel. Denn genau an dem Ort, an dem er vor vierzig Jahren zum ersten Mal den Fuß auf irischen Boden gesetzt hatte, kletterte überraschend behände der große, hagere Doktor Simeon Pincher von Bord. Er trug sein übliches Schwarz. Aber heute hatte er dazu statt des steifen pu-Titanischen Hutes, den er sonst bevorzugte, einen großen Schlapphut aus Stoff angezogen, den man später als Schottenmütze bezeichnen würde. Und als ihn der Bootsführer, der auf ein Trinkgeld hoffte, fragte, ob es dem ehrenwerten Sir gut gehe, antwortete Pincher fröhlich mit deutlich schottischem Akzent:
»Kann nicht klagen, guter Mann.«
Doktor Pincher war in Schottland gewesen.
Im Trinity College hielten viele Doktor Pincher inzwischen für ein wenig exzentrisch. Aber das war nicht schlimm. Von älteren Professoren erwartete man das geradezu. Der seltsame Hut löste also bei seinen Studenten nur noch entzücktes Grinsen aus. Und Doktor Pincher war es nur recht, dass man ihn nicht mehr als den calvinistischen Aufwiegler sah, der seine Gemeinde vor Jahren in der Christ-Church-Kathedrale elektrisiert hatte. Sollten sie ihn doch für harmlos und ein wenig verrückt halten.
Bevor er in seine Wohnung ging, schickte Pincher einen Diener auf zwei Botengänge. Der erste sollte ihn zu Tidys Frau führen, um eine ihrer Pasteten zu holen. Der zweite Auftrag bestand darin, den jungen Faithful Tidy um Punkt vier Uhr in seine Wohnung zu bestellen. Sobald er zu Hause war, schenkte sich Pincher ein kleines Glas Branntwein ein und setzte sich an seinen Schreibtisch.
Faithful Tidy erschien pünktlich zur verabredeten Zeit. Bald nach seiner Ankunft in Trinity war ihm klar geworden, dass Pincher ihn als sein persönliches Eigentum betrachtete, weil er ihm einen Studienplatz dort verschafft hatte. Dem jungen Mann, der den gelehrten Doktor hinter seinem Rücken immer noch »Tintenmann« nannte, gefiel es gar nicht, dass Pincher ihn als Laufbursche benutzte, aber sein Vater hatte ihm gut zugeredet.
»Wie oft ruft er dich denn zu sich?«
»Vielleicht einmal die Woche.«
»Das ist doch nicht zu oft. Du schuldest ihm etwas, also mach ein fröhliches Gesicht, wenn er dir einen Auftrag erteilt.« Und mit einem Nicken bekräftigte er: »Er ist vielleicht nicht mehr der Mann, der er in Dublin einst war, aber er wird dir irgendwann von Nutzen sein, wenn du ihm gewissenhaft dienst.«
Seit kurzem hatte Faithful aber neuen Grund zur Klage.
»Er lässt mich Briefe zu einem Haus bei St. Patricks bringen. Ich muss sie dort
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