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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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hast du von ihm geschwärmt wie von einem Sohn.«
    Paxton zuckte zusammen. »Da wusste ich noch nicht, wer er war. Ich … ich hatte ihn nicht erkannt.« Erst jetzt merkte er, dass er am ganzen Körper fror. Kein Wunder, er trug ja noch immer die nassen Kleider. Er riss die Pelerine von den Schultern, als wäre die an allem Schuld, und gab sie Jonathan, der mit regloser Miene hinter ihm wartete.
    »Ich habe Victor sofort erkannt«, sagte Sarah, während Paxton an den Kamin trat, um sich aufzuwärmen. »Ein solches Gesicht vergisst man nicht, oder man ist mit Blindheit geschlagen. Herrgott, Joseph, wofür hast du dir eigentlich die Brille angeschafft, wenn du sie nicht trägst?«
    »Ich weiß nicht, was das damit zu tun hat!«
    »Mit der Brille hättest du ihn gleich erkannt und schon viel früher rausgeworfen!«
    Hätte er das? Wirklich? Paxton war keineswegs dieser Meinung. Während er sich die Hände über dem Feuer rieb, glaubte er, Emilys Blicke in seinem Rücken zu spüren. Das war fast genauso unangenehm, wie ihr in die Augen zu schauen.
    »Wenn du wusstest, wer er ist, Papa, hättest du ihn erst recht behalten müssen! Ganz abgesehen davon, dass er dir geholfen hat – hast du vergessen, was ihr ihm früher angetan habt?«
    Paxton gab sich einen Ruck und drehte sich um. Emilys Gesicht war eine einzige Anklage, und der Anblick schmerzte ihn mehr, als er verkraftete. Er liebte seine Tochter über alles – durfte er sie länger im Unklaren lassen? So, wie die Dinge sich ihr darstellten, konnte sie gar nicht anders, als ihn zu verurteilen.
    »Emily«, sagte er zögernd, »ich glaube, wir sollten dir etwas erklären …«
    »Allerdings«, fiel Sarah ihm ins Wort und warf ihm einen so bösen Blick zu, dass er verstummte. »Victor ist ein Arbeiter und du bist die Tochter von Joseph Paxton. Das ist ein gewaltiger Unterschied, mein Kind.«
    »Ach so, das ist also der Grund?«, sagte Emily. »Weil Victor ein Arbeiter ist?«
    »Nein«, protestierte Paxton. »Das tut nicht das Geringste zur Sache, und das weißt du ganz genau. Mir ist jeder anständige Arbeiter lieber als irgendein nichtsnutziger Lord oder Parvenü.«
    »Das kann jeder behaupten!«
    »Hast du meinen Brief an den Premierminister vergessen? Ich habe mir dafür schwere Vorwürfe anhören müssen. Lord Granvillehat mich unverblümt gefragt, ob mir der Erfolg zu Kopf gestiegen sei. Ich bin trotzdem bei meiner Forderung nach freiem Eintritt geblieben, damit niemand von der Veranstaltung ausgeschlossen wird, nur weil er kein Geld hat. Es ist mir ein ehrliches Anliegen, nicht nur den Beitrag zu zeigen, den die Arbeiter zum Wohl unseres Landes leisten, sondern auch sie selbst an dem Ereignis teilhaben zu lassen.«
    »Wie edel von dir«, unterbrach ihn Emily. »Aber ich glaube, der freie Eintritt nützt vor allem dir selbst und deinen Aktien.«
    »Das eine schließt das andere nicht aus!«
    »Außerdem, wenn du dich in der Öffentlichkeit als ein solcher Freund der Arbeiter aufspielst, wie kannst du dann so mit Victor umspringen? Das ist scheinheilig und abstoßend!«
    »Ich verbiete dir, so mit deinem Vater zu sprechen!« Sarah stellte ihr Glas ab und stand auf. »Emily«, sagte sie dann mit leiserer Stimme, »es ist ja sehr anständig von dir, dass du deinen Jungendfreund verteidigst, aber glaub mir – Victor ist gefährlich. Das war er schon als Kind, und das ist er heute erst recht. Begreifst du denn nicht, warum er sich an dich ranmacht? Er will sich für früher rächen, weil er glaubt, dass wir ihn ungerecht behandelt haben.«
    »Das habt ihr ja auch! Ihr habt ihn davongejagt wie einen Verbrecher!«
    »Weil er ein Verbrecher
ist
! Manche Menschen werden so geboren, mein Kind, und Victor gehört leider dazu. Du hast nicht genug Lebenserfahrung, um das zu wissen, Gott sei Dank nicht, aber ich würde wetten, dein Jugendfreund war schon im Gefängnis. Auf jeden Fall kann er uns dankbar sein, wenn wir ihn nicht dorthin schicken. Grund genug dafür hat er uns mit seinem Verhalten gegeben.«
    »Was hat er denn Schlimmes getan?« Emily schnappte nach Luft. »Victor hat mich doch gar nicht angerührt! Ich selbst habe ihm den Kuss gegeben, aus reiner Dankbarkeit! Für das, was er für uns getan hat! Für uns alle!«
    »Aus reiner Dankbarkeit? Verzeih mir, aber das fällt mir schwer zu glauben, nach allem, was ich gesehen habe.« Sarah legte ihr die Hand auf den Arm. »Emily, bitte, lass die Sentimentalitäten und nimm Vernunft an. Du bist eine verlobte junge Frau,

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