Die Rebellin
Society of Arts war es ihm gelungen, den vormals kaum registrierten Ausstellungen der Gesellschaft durch Mobilisierung der Presse große öffentliche Beachtung zu verschaffen. Doch diesmal ging es um mehr, unendlich viel mehr: Die Idee der Weltausstellung war die Idee seines Lebens – und zugleich seine einzige Chance, trotz einfacher Herkunft in den höchsten Kreisen der Gesellschaft Anerkennung zu finden.
»Die Ausstellung«, fuhr er voller Leidenschaft fort, »soll uns ein Bild vom Stand der Entwicklung geben, zu dem die Menschheit in diesem großen Werk bereits gelangt ist, einen Überblick, an dem alle Völker ihre weiteren Bestrebungen für die Zukunft ausrichten können. Ich hoffe voller Vertrauen, dass der Eindruck, den eine solche Veranstaltung im Besucher hervorrufen wird, der des tiefen Dankes gegen den Allmächtigen für die Segnungen sein wird, die der Himmel schon auf uns ausgesät hat. Und zugleich, dessen bin ich mir gewiss, wird ein solches Ereignis in uns allen die Überzeugung stärken, dass die göttlichen Segnungen nur in dem Maß zur Verwirklichung gelangen, wie wir uns gegenseitig Hilfe zu leisten bereit sind – indem wir durch friedlichen Wettbewerb den gemeinsamen Fortschritt und Wohlstand befördern.«
»Amen!« Cole zuckte zusammen. Der Mann, der ihn unterbrochen hatte, war kein Geringerer als Henry Labouchere, der britische Handelsminister. »Bei allem Respekt vor der Inbrunst Ihres Glaubens, Mr. Cole – ich möchte doch daran erinnern, dass wir hier nicht in einer Kirche sind.« Dabei blickte er nicht Cole, sondern Albert an, der mit unsicherer Miene reagierte.
»Dann erlauben Sie mir, den praktischen Nutzen der Veranstaltung zu konkretisieren.« Nur mit Mühe gelang es Cole, seine Stimme fest und sicher klingen zu lassen. »Die Ausstellung wirdeine Leistungsschau all dessen bieten, wozu die Völker dieser Erde fähig sind, eine Welten umspannende Bilanz des Fortschritts. Auf diese Weise wird der internationale Austausch der Kenntnisse und Ideen befördert und zugleich der Unternehmungsgeist der Nationen zu immer größeren Taten angespornt. Manufakturen und Handwerksbetriebe werden davon ebenso profitieren wie Wissenschaft und Handel.«
»Wenn Sie mich fragen, klingt das alles nach einem riesigen Jahrmarkt«, bemerkte Sir Robert Peel, der ehemalige Premier und jetzige parteilose Oppositionsführer im Parlament.
»Da pflichte ich Ihnen durchaus bei«, erwiderte Cole. »Im Prinzip dient die Weltausstellung demselben Zweck wie früher ein Jahrmarkt. Nur dass sich dieser Zweck nicht mehr auf eine einzelne Stadt oder Grafschaft beschränkt, sondern den ganzen Erdkreis umfasst.«
»Schön und gut«, brummte Peel. »Aber weshalb sollen wir Ausländer zu uns einladen? Damit sie unseren Unternehmern in die Suppe spucken? England ist die größte Kolonialmacht der Welt! Wozu brauchen wir Franzosen oder Deutsche – ich meine«, verbesserte er sich, als der Prinzgemahl bei der Erwähnung seiner Landsleute irritiert das Gesicht verzog, »Franzosen oder Russen?«
Cole hielt dem Blick des alten Politikers stand. »Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Sir – Sie selbst haben mit der Aufhebung der Kornzölle das Freihandelsprinzip in Europa eingeführt.«
»Das hat mich bekanntlich den Kopf gekostet, junger Mann. Meine alten Freunde von den Tories haben mir bis heute nicht verziehen, dass ich mit den Liberalen gemeinsame Sache gemacht habe.«
»Ich weiß, Sir, Sie haben durch Ihre Entscheidung damals Ihr Amt verloren, doch unserem Land haben Sie das Tor zur Zukunft aufgestoßen«, erwiderte Cole schneller, als er denken konnte. »Jetzt dürfen wir nicht stehen bleiben, gehen wir weiterdurch dieses Tor, stellen wir uns dem Wettbewerb, den wir selbst eröffnet haben. Er wird uns noch stärker machen, als wir es schon sind.«
»Ob die neuen Gesetze uns in Zukunft nutzen oder schaden, wird sich noch zeigen.« Peel blickte so grimmig drein wie eine Bulldogge. »Warum gibt es in England keine Tollwut? Weil wir das Viehzeug vom Kontinent nicht über den Kanal zu uns herüberlassen. Vielleicht wäre es besser, wir würden diesem altbewährten Prinzip im Handel genauso treu bleiben wie in der Hundezucht.«
Einige der Gentlemen lachten, und auch der Prinzgemahl quittierte die Bemerkung des ehemaligen Premiers mit einem vorsichtigen Lächeln. Kein Zweifel, die Stimmung unter den Teilnehmern der Konferenz war geteilt. Die konservativen Tories, die den alten Zeiten nachtrauerten, da die Gesetze
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