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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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suchen, Miss«, sagte Toby, der hinter dem Fremden auftauchte. »Der beste Drucker von London.«
    Emily war irritiert. Wo hatte sie dieses Gesicht schon mal gesehen? Der Mann, der ihren Namen ausgesprochen hatte, als hätte er ihn schon viele Male gesagt, schien ihr auf merkwürdige Weise vertraut, als würde sie ihn seit ewigen Zeiten kennen, doch gleichzeitig war er ihr so fremd wie ein australischer Eingeborener. Auf der Stirn, über dem rechten Auge, hatte er eine rötliche Narbe, wie von einer alten, schlecht verheilten Verletzung.
    Da erkannte sie ihn wieder.
    »Victor! Victor Springfield!« Trotz seiner schäbigen Kleider fiel sie ihm um den Hals. »Mein Gott! Bist du es wirklich?«
    »Tatsächlich«, erwiderte er, nicht weniger erstaunt als sie. »Emily Paxton aus Chatsworth.«
    Auch er schien sich zu freuen, er lächelte sie an, doch nur für einen Augenblick. Dann veränderte sich seine Miene. Statt ihre Umarmung zu erwidern, fasste er sie an den Handgelenken und machte sich von ihr los.
    »Kennt ihr euch etwa?«, fragte Toby erstaunt.
    »Aber ja«, sagte Emily, »das heißt, ich glaube zumindest …«
    Das Blut schoss ihr ins Gesicht, als sie in seine dunklen Augen sah. Verlegen stammelte sie eine Bitte um Verzeihung.
    »Verschwinde, Toby«, sagte Victor.
    »Aber ich muss dir doch erklären, was die Lady …«
    »Du sollst verschwinden!«
    Während Toby sich widerwillig davonmachte, blickte Victor sie an, wie man einen unerwünschten Gast anschaut. »Wissen deine Eltern, dass du dich hier rumtreibst?«
    Seine Stimme klang so kalt, dass Emily fröstelte. »Ich weiß, warum du das sagst, aber – ich freue mich trotzdem, dass wir uns wiedersehen.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Endlich kann ich mich bei dir bedanken.«
    »Bedanken? Wofür?«
    »Für die Rosenblätter. Es war eine so herrliche Überraschung. Du – du musst sehr enttäuscht von mir gewesen sein.«
    »Stimmt«, erwiderte er. »Du hattest mir eine Belohnung versprochen.«
    »Es tut mir so unendlich Leid, was damals passiert ist«, sagte sie leise.
    Erst dann fiel ihr ein,
was
sie ihm versprochen hatte – einen Kuss, einen richtigen Kuss auf den Mund. Am liebsten wäre sie im Boden versunken. Doch während die peinliche Erinnerung sich wie Sodbrennen in ihr ausbreitete, spürte sie, wie sichgleichzeitig Empörung darein mischte. Wie konnte er es wagen, darauf anzuspielen?
    Emily hob den Kopf und erwiderte seinen Blick. »Ich – ich bin nicht mehr das dumme verwöhnte Mädchen, das ich damals war, glaub mir.«
    Victor zuckte die Achseln. Nichts schien ihn weniger zu interessieren.
    Sie stockte. Während sie nach Worten suchte, damit er nicht merkte, wie durcheinander sie war, ließ er sie nicht aus den Augen. Den Blick auf sie gerichtet, als forsche er in ihrem Gesicht nach etwas Bestimmten, nahm er eine Prise Schnupftabak, ganz ruhig und gelassen. Sie kam sich vor wie ein Insekt unter einem Mikroskop, das hilflos auf dem Objekttisch zappelte. Zum Glück fiel ihr ein, warum sie überhaupt hier war.
    »Die wollte ich bei euch in Druck geben«, sagte sie und reichte ihm ihre Zeichnungen. »Mr. Benson, der Buchbinder, hat mir eure Adresse genannt.«
    Victor nahm die Bögen und betrachtete sie. »Die Seerosen aus dem Gewächshaus …« Seine eben noch so finsteren Augen begannen zu leuchten, als er die Pflanzen wiedererkannte.
    »Was meinst du«, fragte Emily, »könnt ihr die so drucken, dass man die Adern auf den Blättern noch sieht?«
    »Sicher, warum nicht? Aber sag mal, hast
du
die etwa gemalt?«
    »Ja, sie sind für eine Zeitschrift, die mein Vater herausgibt. Dabei helfe ich ihm ein bisschen, er hat zu viel zu tun, um alles allein zu schaffen.« Und fast, als müsse sie sich entschuldigen, und gleichzeitig auch aus dem Bedürfnis, ihrem Jugendfreund zu imponieren, fügte sie hinzu: »Er ist nämlich inzwischen Direktor der Midland Railway.«
    Victor hob die Brauen. »Mr. Paxton? Eisenbahndirektor?«
    »Ja«, bestätigte sie, und um ihm zu beweisen, dass sie nicht log. und weil ihr vor lauter Aufregung nichts Besseres einfiel, wiederholte sie die Worte ihres Vaters. »Du musst wissen, der Eisenbahn gehört die Zukunft. Allein die Midland Railway besitztschon über dreißig Züge. Sie versorgen bald unser ganzes Land, mit allen Gütern und Waren, mit Baumwolle und Kohle und Erz, egal wo sie benötigt werden, so wie die Adern in den Blättern einer Pflanze alle Nährstoffe transportieren, die die Pflanze zum Leben braucht.« Obwohl Victor ihr

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