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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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aufmerksam zuzuhören schien, hatte sie plötzlich das Gefühl, vollkommen dummes Zeug zu reden. »Ich weiß nicht«, wechselte sie deshalb das Thema, »ob du mit deiner jetzigen Arbeit zufrieden bist, aber wenn ich meinen Vater darum bitte, ich glaube, er würde dir helfen.« In Victors Augen zuckte ein kurzes, gefährliches Blitzen auf. Hatte sie ihn beleidigt? Bevor er etwas einwenden konnte oder womöglich das Gespräch beendete, sagte sie:
    »Wann soll ich mit ihm sprechen? Ich bin sicher, er würde sich freuen, dich wieder zu sehen. Genauso wie ich.«
    »Genauso wie du?« Der Anflug eines Lächelns spielte auf Victors Lippen.
    »Ich weiß«, sagte sie, bevor das Lächeln verschwand, »es war schlimm, was meine Eltern getan haben, aber wenn mein Vater es wieder gutmachen kann, wird er es tun. Glaub mir, ich kenne ihn besser als du, es tut ihm selber Leid.«
    Es entstand eine Pause. Obwohl sie nur den Arm auszustrecken brauchte, um sein Gesicht zu berühren, schien Victor ihr unerreichbar fern. Ohne irgendein Gefühl zu verraten, schaute er sie an. Nur die Narbe auf seiner Stirn zuckte ab und zu.
    Emily schlug die Augen nieder. Ob die Narbe von damals stammte?
    »Die Vorstellung ist zu Ende, Miss.«
    Der Guckkastenmann, der sein kleines Theater wieder auf den Buckel geschnallt hatte, hielt ihr seinen Hut hin. Während Emily ihm ein paar Münzen gab, überlegte sie fieberhaft, was sie Victor noch sagen konnte. Sie konnte sich unmöglich so von ihm trennen. Nicht nach so vielen Jahren.
    »Danke, Miss. Gott segne Sie.«
    Während der Krüppel mit seinem Tragekasten davonhumpelte,rückte Victor sich die Mütze zurecht. Emily wusste, wenn er jetzt ging, würde sie ihn nie mehr wiedersehen.
    »Ach du meine Güte«, sagte sie eilig. »Jetzt hätten wir fast die Zeichnungen vergessen. Wie lange brauchst du, um einen Probeabzug zu machen?«
    Victor zuckte die Achseln. »Vielleicht ein oder zwei Wochen.«
    »Was? So lange?«, fragte Emily enttäuscht. »Geht es nicht schneller?«
    »Leider nein. Bei uns stapeln sich die Aufträge. Aber wenn du willst, versuche ich es nach Feierabend«, sagte er, als er ihre Enttäuschung sah, »dann könnte es schon früher klappen. Warum hast du es denn so eilig?«
    »Weil ich übermorgen schon wieder nach Chatsworth muss. Mein Vater braucht mich dort, wir wollen ein neues Gewächshaus bauen. Und danach«, fügte sie hinzu, obwohl es nicht ganz die Wahrheit war, »bin ich mindestens zwei Monate nicht mehr in London.«
    »Zwei Monate? Das sind ja über acht Wochen!«
    Jetzt schien Victor enttäuscht zu sein. Emily stellte es mit Genugtuung fest.
    »Du könntest mir die Abzüge natürlich auch mit der Post schicken«, erwiderte sie, »die Adresse ist noch dieselbe. Aber weißt du was?«, sagte sie dann, als er ein immer längeres Gesicht zog, »ich glaube, ich habe eine bessere Idee. Wie wär’s, wenn du einfach selbst nach Chatsworth kommst und mir die Abzüge bringst? Es geht ganz leicht. Seit einem Jahr haben wir einen Bahnhof in Rowsley, die Fahrt wird dir Spaß machen.«
    »Ich? Nach Chatsworth?«, fragte Victor verblüfft. »Also, wenn ich ehrlich bin …«
    »Wenn es wegen des Geldes ist, ich kann dir eine Fahrkarte schicken. Ich bekomme sie umsonst.«
    »Nein, das ist es nicht …«
    »Oder hast du Angst vor der Eisenbahn? Weil du in der Hölle landen könntest, wenn der Zug in einen Tunnel fährt?«
    »Hältst du mich für einen Idioten?«, erwiderte er mit einem Grinsen. »Ob du’s glaubst oder nicht, ich bin auch schon mal mit einem Zug gefahren.«
    »Das kann jeder behaupten. Wenn du keine Angst hast, musst du es beweisen!«
    »Nein, Emily«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Ich war nicht mehr in Chatsworth, seit – du weißt schon …« Er verstummte, dann fügte er hinzu: »Und ich hatte eigentlich nicht vor, jemals wieder dorthin zurückzukehren.«
    Das Grinsen aus seinem Gesicht war verschwunden. Auf einmal sah er aus, als trüge er um sich einen Mantel aus Einsamkeit.
    »Und wenn ich dich darum bitte?«, fragte sie leise. »Es wäre so schön, noch einmal mit dir dort zu sein. Genauso wie früher …«

9
     
    »So kann das nicht weitergehen«, erklärte Sarah. »Emily braucht einen Mann!«
    »Sicher,« pflichtete Paxton ihr bei, »aber doch nicht heute. – Verdammt noch mal!«, rief er einem Arbeiter zu. »Hier fehlen zwei Streben! Los, hol den Zimmermann! Sonst kracht uns der ganze Bogen zusammen!«
    Während er versuchte, Sarahs Sorgen um ihre älteste Tochter zu

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