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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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sie war in seiner Hosentasche! Er zückte das Schächtelchen und hielt es der Fremden hin. »Möchten Sie ein Pfefferminzbonbon?«
    »Danke«, sagte sie überrascht. »Das ist sehr freundlich von dir.« Sie streckte ihre Hand aus, doch bevor sie zugreifen konnte, machte Toby eine so ungeschickte Bewegung, dass die Kreidestückchen in den Straßendreck fielen.
    »Nein!«, rief er entsetzt. »Das ganze Pfefferminz!«
    »Oh, das tut mir Leid!«
    »Ich sollte die Pastillen verkaufen. Jetzt wird mein Vater mich verprügeln!«
    Eilig begann die junge Lady, in den Ärmeln ihres Kleides nach Geld zu suchen. Toby ließ sie nicht aus den Augen, während er jammernd und klagend die falschen Pastillen von der Straße aufhob. Ein Batisttuch nach dem anderen kam aus ihrem Ärmel zum Vorschein. War sie am Ende so reich, dass sie gar kein Geld bei sich hatte? Von der Sorte gab es in London mehr als genug.
    »Hier, nimm das.«
    Toby traute seinen Augen nicht. Die junge Lady streckte ihm einen Schilling entgegen.
    »Oh, vielen Dank.«
    Die hatte der Himmel ihm geschickt! Bevor sie es sich anders überlegen konnte, griff Toby nach der Münze und ließ sie in seiner Tasche verschwinden. Erst jetzt sah er das Gesicht der jungen Lady. Sie war nicht nur reich, sondern auch hübsch – vielleicht etwas mager, aber mit einer Portion Bratfisch am Tag könnte man sie rasch aufpäppeln. Vor allem aber hatte sie ein sowunderbares Lächeln, dass er beinahe wirklich glaubte, sie sei vom Himmel zu ihm herabgestiegen.
    »Sagen Sie mal, Miss«, fragte er. »Was wollen Sie eigentlich von Mr. Finch?«
    »Ich habe ein paar Zeichnungen, Illustrationen für eine Zeitschrift. Mr. Benson behauptet, die könnte nur Mr. Finch drucken.«
    »Ich glaube, ich kann Ihnen helfen«, sagte Toby. »Kommen Sie mit, ich bringe Sie zu dem Mann, den Sie suchen.«

7
     
    »Vielleicht wird dann ja alles gut …«
    Henry Cole musste schlucken, als Marian seinen Bericht von der Konferenz im königlichen Palais von Osborne mit diesen Worten kommentierte. Glänzten ihre Augen vor Begeisterung über seinen Erfolg – oder glänzten sie vom Fieber? Seit einem Vierteljahr musste seine Frau nun schon das Bett hüten: Tuberkulose, lautete die Diagnose.
    »Was meinst du«, fragte sie, »ob ich deine Weltausstellung noch erleben werde?«
    »Du sollst doch nicht so viel reden, hat der Arzt gesagt.«
    »Du wirst hart dafür arbeiten müssen, Henry. Aber das war für dich ja noch nie ein Hindernis.« Sie machte eine Pause, um mit rasselnden Lungen Atem zu holen. »Erinnerst du dich noch an den Tag unserer Hochzeit?«
    »Wie könnte ich den vergessen?«
    »Du hast morgens noch Entwürfe für deine Briefmarke gezeichnet und wärst deshalb fast zu spät in die Kirche gekommen. Der Pfarrer war ziemlich verärgert und sagte, ich solle mich in Acht nehmen vor einem Mann, der nicht pünktlich … «
    Marian konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, mit letzten Kräften hustete sie in ihr Taschentuch. Behutsam half Cole ihr im Bett auf und schob ihr ein Kissen in den Rücken. Sie anzuschauen, brach ihm fast das Herz. Was für eine schöne Frau war sie bei ihrer Hochzeit gewesen! Obwohl sie im Dezember geheiratet hatten, heimlich, weil Marian bereits ein Kind von ihm erwartete, hatte sie mit ihren blonden Locken und den rosigen Wangen ausgesehen wie der Frühling. Das war über fünfzehn Jahre her, und sie war seitdem fast jedes Jahr aufs Neue schwanger geworden – acht Kinder lebten mit ihnen in der dunklen engen Wohnung am Rand des Hyde Parks. Jetzt war ihr Leib welk und ausgezehrt, und die einstmals blonden Haare, die inzwischen ganz grau geworden waren, klebten nass vom Schweiß auf ihrer bleichen Stirn.
    »Kannst du mir noch einmal verzeihen?«, fragte er sie zärtlich, als der Hustenanfall vorüber war.
    »Das habe ich doch längst getan«, erwiderte Marian mit einem schwachen Lächeln. »Du bist ja nur glücklich, wenn du arbeitest.«
    »Von wegen! Ich bin nur glücklich, wenn
du
glücklich bist. Hier, ich habe was für dich.« Er öffnete seine Aktentasche und holte eine Schatulle daraus hervor.
    »Ein Geschenk? Für mich?«
    »Was glaubst du denn, für wen? Siehst du noch jemanden hier?« Er klappte die Schatulle auf.
    »Aber das ist doch die Medaille, die dir der Prinzgemahl verliehen hat! Bei der Preisverleihung der Society, für dein Teeservice …«
    »Ja, probier sie an. Ich habe eine Kette daranmachen lassen, damit du sie als Schmuck tragen kannst.« Er legte sie ihr um den Hals

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