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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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gesetzt. Da können sie nicht einfach …«
    »Und ob sie das können!« Victor nahm einen Setzkasten und schüttete die Lettern auf den Boden.
    »Bist du verrückt geworden?«, rief Mr. Finch und klaubte die Buchstaben vom Boden auf. »Weißt du, was das kostet?« Er hielt ihm zwei Handvoll Lettern entgegen. »Das ziehe ich dir vom Lohn ab – und wenn es ein Jahr dauert. Außerdem kriegst du nur noch trockenes Brot zu fressen, ich sage Mrs. Finch Bescheid, dass sie …«
    Victor wandte sich ab. Als er sich umdrehte, blickte er in Daisys Gesicht. Wie eine Königin saß die Katze da und schaute ihn hochmütig an. Er packte sie im Genick und tauchte sie in das Wasserfass, das neben der Druckpresse stand.
    »Du Saukerl! Du Verbrecher! Ich bring dich zurück ins Gefängnis …«
    Ohne auf Mr. Finchs Verwünschungen zu achten, verließ Victor die Werkstatt und knallte die Tür hinter sich zu.
    In der Gesellenkammer warf er sich auf seine Pritsche und starrte gegen die Wand. Wo waren die fremden, verwirrenden, wunderbaren Gefühle geblieben, die ihn den ganzen Tag beseelt hatten? Er versuchte, an Fanny zu denken, an ihren Körper, an ihre Brüste, an ihren warmen, feuchten Schoß, in den er sich ergossen hatte, vor weniger als einer Stunde, doch es gelang ihm nicht. Immer wieder drängten sich andere Bilder vor. Emilys Gesicht, ihre Augen, darin die Angst, ihr Abscheu, ihr Widerwille, ihr Ekel, ihre Verachtung … Nein, es gab es keinen Zweifel, seine Mutter hatte Recht: Auch Emily war ein fauler Apfel, wie alle Paxtons.
    »Was ist denn in der Werkstatt los? Mrs. Finch tobt und behauptet, ihr Mann hätte Daisy ersäuft. Aber der schwört, dass du sie abgemurkst hast.«
    Im Schein des Mondlichts, das durch die Dachluke fiel, sah Victor einen schwarzen Schatten, aus dem zwei weiße Augen ihn aufmerksam betrachteten.
    »Oh, ich glaube fast, Mr. Finch hat Recht.« Robert reichte ihm einen Flasche. »Hier, scheiß was auf die Katze! Trink!«
    Victor zögerte nur kurz, dann nahm er einen Schluck. Seit drei Jahren hatte er keinen Schnaps mehr getrunken. Der Gin breitete sich in seinem Körper aus wie jemand, der nach langer Abwesenheit in seine alte Wohnung zurückkehrt. Victor spürte die wohlige vertraute Wärme in seinen Adern, das Kribbeln in den Armen und Beinen, während seine Muskeln sich entspannten. »Bist du auch mit O’Connor marschiert?«, fragte Robert.
    Victor schüttelte stumm den Kopf und trank noch einen Schluck. »Da hast du was verpasst. Das Großmaul will der Regierung Angst einjagen und schafft es nicht mal bis zum Parlament. Zum Totlachen! Sie haben keinen über die Themse gelassen. Alle Brücken waren mit Soldaten besetzt, und sie hätten jeden abgeknallt, der probiert hätte, nach Whitehall rüberzukommen.
    O’Connor selbst hat die Sache abgeblasen, und wie die Lämmer ist die ganze Herde davongezogen, obwohl sie mehr als hunderttausendwaren. Man konnte direkt riechen, wie sie sich in die Hose gemacht haben, deine tapferen Chartisten. Bis zum Strand stank es nach Pisse und Scheiße, wie in einem Schafstall.«
    »Vielleicht hast du Recht,«, sagte Victor, mehr zu sich selbst als zu Robert. »Vielleicht müsste man die Sache wirklich anders anpacken. So wie die Franzosen letztes Jahr mit ihrer Revolution. Damit die Schweine begreifen, dass wir uns nicht länger gefallen lassen, wie sie uns behandeln.«
    »Was ist denn in
dich
gefahren?«, staunte Robert. »Erst säufst du mir den Gin weg, und dann solche Reden. Fast könnte man glauben, du bist doch einer von uns –
cheers
!« Er nahm ihm die Flasche aus der Hand und prostete ihm zu. »Ja«, sagte er dann, »sie behandeln uns wie Dreck, unser Leben lang, und die einzige Chance, uns daraus zu befreien, ist unser Hass.«
    »Man müsste etwas tun, womit sie nicht rechnen«, fuhr Victor in Gedanken fort. »Etwas Neues, noch nie Dagewesenes. Sie dort kriegen, wo es ihnen am meisten schadet, mitten im Herzen.« Er richtete sich auf seiner Pritsche auf und blickte Robert an. »Hast du schon mal daran gedacht, einen Anschlag auf einen Zug zu machen?«
    »Einen Zug? Wozu? Wenn schon, dann auf ein Gefängnis! Oder auf Old Bailey, wo sie mich verknackt haben. Oder gleich auf das Parlament, damit sie erst gar keine Gesetze mehr machen können.« Robert leckte sich die Lippen. »Mal einen Politiker erwischen, so ein richtig großes Tier, das wäre was, zum Beispiel diesen Peel …«
    »Nein«, sagte Victor. »Ein Zug ist viel besser.«
    »Ist dir der Gin zu Kopf

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