Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
Waffen dicht bei sich hatte – wurde sich nicht einmal bewusst, dass er an seine Siesta einen Nachtschlaf anhängte. Er verpasste seinen ersten Mondaufgang. Im Land der Illusionen begleitete ein rätselhaftes Spiegelbild die echte Mondsichel. Und in jener Nacht erinnerten das milchige Gestirn und sein eingebildeter Doppelgänger an göttliche, halb geschlossene Augen, die aufmerksam dieses kleine Land der Östlichen Welt und auch den jungen Boten beobachteten.
Der König von Leiland drehte sich zum Herzog von Alekant um. Der Blick seiner grauen Augen war noch leerer als gewöhnlich. Er blieb kaum an den goldenen Kerzenflammen hängen, die auf dem blutroten Seidengewand seines Gesprächspartners schimmerten, und suchte in den olivgrünen Wandbespannungen des königlichen Arbeitszimmers nach einer Antwort, aber sogar die beiden Mondsicheln auf den Bannern des Königreichs kamen ihm nicht zu Hilfe. Es fiel dem Herrscher schwer, seine Entscheidung zu fällen. Vielleicht, weil er sich seit siebzehn Jahren zu keiner Entscheidung mehr in der Lage fühlte …
Der Mann, der vor ihm stand und über dessen Wange eine leichte, violett verfärbte Narbe verlief, war von hochadliger Abstammung und hatte sich immer als Freund der Familie erwiesen, sogar, als die schlimmsten Schicksalsschläge sie getroffen hatten. Korta konnte als faszinierender Mann gelten, obwohl der König nicht wirklich in der Lage war, eine solche Einschätzung abzugeben. Kortas kräftiger, athletischer Körperbau, sein sauber gestutzter Spitzbart, der so schwarz wie seine Haare war, und seine dunklen, durchdringenden Augen konnten ebenso gut verführen wie Furcht einflößen. Aber irgendwo tief in seinem Inneren gelang es dem Herrscher nicht, sich damit abzufinden, dass seine älteste Tochter, Eline, einen Mann lieben konnte, der vierzehn Jahre älter war als sie.
Korta war allerdings nicht gerade ein Greis. Der Herzog von Alekant war erst fünfunddreißig Jahre alt. Und der König selbst war neun Jahre älter als seine Königin gewesen. Die Königin … Schon der bloße Gedanke an ihr Gesicht blendete alles aus, womit er sich vorher beschäftigt hatte. Der Geist des Königs flog auf den Wahn einer verlorenen Liebe zu … Hin zu nicht wiedergutzumachenden Fehlern. Der Rubin seines Herrscherrings wurde so glanzlos wie sein Gesicht.
Der schwere Stoff seines purpurnen, höfischen Mantels glitt ihm am Ende vom Unterarm. Die Bewegung führte ihn für einen Augenblick in die Wirklichkeit zurück. Korta rechnete damit, aufs Neue unendliche Diskussionen führen zu müssen, aber der König strich sich durch den braunen Bart und hob mit matter Gebärde den Arm. Er gab nach. Eline liebte den Herzog, damit musste er sich abfinden. Er konnte durchaus seine Vaterrolle spielen, zumindest dieses eine Mal.
»Ich weiß, dass Ihr Scylenkrieger angeworben habt. Ich schätze diese Männer aus den Ungewöhnlichen Landen nicht, aber ich verstehe, dass ihre Kräfte Euch große Unterstützung bieten können. Morgen werdet Ihr ein offizielles Dokument erhalten, dass Euch die Hand von Prinzessin Eline zusichert – unter der Bedingung, dass Ihr das Land von seinem ärgsten Räuber befreit: der Maske. Ihr dürft Euch zurückziehen.«
Der Herzog schenkte ihm ein leicht raubtierhaftes Lächeln und verneigte sich vor Seiner Majestät, wie es sich gehörte, bevor er hinausging. Draußen, in einem prächtigen Korridor, der mit Rüstungen und Kandelabern geschmückt war, musste er sich auf die Lippen beißen und die Fäuste so fest wie möglich ballen, um nicht laut loszujubeln. Er begab sich mit großen Schritten zu einer Treppe, die auf einen der unzähligen Türme der Burg von Leiland führte. Während er durch die nächtliche Stille des mit dicken Teppichen ausgelegten Ganges schlich, beachtete er den kleinen Diener, der mit einer Mahlzeit auf einem Tablett an ihm vorüberkam, ebenso wenig wie die Karyatiden, die entlang der Wände aufgereiht waren. Er zog sich die Handschuhe aus, nahm seinen Herzogsring von der rechten Hand und öffnete mit befriedigter Miene seinen Umhang. Dieser Tag war der beste, den er seit langer Zeit erlebt hatte! Seine Pläne gediehen prächtig.
Dank ihrer Fähigkeit, Gedanken zu lesen, hatten die Scylenkrieger ihm Informationen über ein kleines Dorf im Herzen von Leiland verschafft. Ein Wendepunkt in seinem Kampf gegen die Maske! Er würde dem König binnen weniger Tage den Kopf des Banditen bringen. Seit zwei Jahren versprach er seiner Majestät, den
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