Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
Stoff um den schwarzen Kopf festhielt. Der Maskierte erstarrte und ließ dann seine Waffe los. Ein Schnitt zur Rechten, und Korta würde ihm die Kehle aufschlitzen, einer zur Linken, und er würde den letzten Vorhang fallen lassen. In seiner Ecke verschlug es Andin den Atem: Die Legende würde vor seinen Augen sterben. Warum habe ich nicht eingegriffen ?
Das Ego des Herzogs war größer als sein Durst nach rascher Rache: Er entschied sich dafür, den Stoff abzureißen. Zu seinem großen Erstaunen fielen daraufhin lange, goldbraune, mit Zöpfen gekrönte Haare auf die Schultern der Maske. Das Gesicht war noch immer nicht enthüllt, aber für Andin war das auch nicht nötig. Binnen eines Herzschlags hatte er sie erkannt: Sie , das Mädchen-mit-den-blauen-Augen. Vic ?
Die Maske über dem geheimnisvollen Gesicht hob sich von selbst: Sie bestand aus einer Amalyse. Korta war wie vom Donner gerührt. Die junge Frau nutzte das aus, indem sie mit dem Absatz einen raschen Stoß zwischen die Beine des selbsternannten Siegers führte und ihm dann einen zweiten Tritt gegen den Kopf versetzte. Er brach vor Schmerzen zusammen, ohne auch nur einen Schrei ausstoßen zu können. Sie hatte es geschafft! Die Fähigkeit, Opfer zu bringen, um zu siegen, war etwas, das sie richtig einzusetzen verstand.
Jetzt würde es ausreichen, wenn sie die wenigen noch kampffähigen Wachen außer Gefecht setzte – dann konnte sie auf schnellstem Wege in den Wald fliehen. Die Amalyse hatte sich schon wieder über ihr Gesicht gesenkt, als die Soldaten sich auf sie stürzten: Sie hatte gerade noch Zeit, ihre Waffe wieder an sich zu bringen. Mit einigen Tritten gegen Brust und Bauch warf sie die Männer zu Boden, die ihr den Weg verstellten, und eilte auf den Wald zu.
Andin hatte den Vorfall vollständig mitbekommen und war noch immer wie erschlagen angesichts der Kaltblütigkeit der jungen Frau. Er hatte sich täuschen lassen. Jetzt, da sich alles dem Ende zuneigte, würde er endlich bekommen, was er wollte! Sie rannte auf ihn zu: Der Wald war ihr Zufluchtsort, und er befand sich mitten darin. Er löste den Zaum seines Pferdes und schlug Nis auf den Schenkel.
»Galoppier los, Nis! Du findest mich später schon wieder.«
Die Stute sprengte wie ein Irrwisch davon. Sie war an diesen Befehl gewöhnt, der zum Einsatz kam, wenn sie ihren Herrn behinderte oder wenn er Angst um sie hatte. Sie schoss den Pfad entlang in die Freiheit. Andin stieg auf einen knotigen, mit vielblättrigem Efeu überwucherten Baum, entschlossen, sich an der Miene der Waffenknechte zu weiden, wenn die junge Frau ihrerseits verschwand.
Korta kam wieder zu sich. Er kochte vor Wut und brüllte, dass man die Maske festnehmen solle. Zwei Wachen robbten über den Boden und spannten ihre Armbrüste, indem sie mit den Füßen am Bügel zogen. In dem Moment, als das Mädchen-mit-den-blauen-Augen die Schwelle des Waldes überschritt, trafen zwei Armbrustbolzen es mit voller Kraft. Die junge Frau brach unter dem Aufprall zusammen.
Noch immer gekrümmt schrie der große Herr seinen Triumph heraus, während Bestürzung und Niedergeschlagenheit sich auf den Gesichtern der reglosen Dorfbewohner abzeichneten. Ihre Hoffnung schien im selben Augenblick zu sterben, als die letzte Glut verglomm.
Der Schmerz und die Überraschung hatten die junge Frau niedergestreckt, doch sie hatte das Bewusstsein noch nicht verloren. Einer der Bolzen war ihr durch den rechten Arm gedrungen, der andere steckte oberhalb ihrer rechten Hüfte fest, tief genug, um sie am Laufen zu hindern. Mit angespanntem Gesicht gelang es ihr, sich auf die Knie zu kämpfen. Die Schritte der Soldaten verliehen ihr die Kraft, den Schmerz zu vergessen; der Überlebensinstinkt richtete sie auf. Keuchend kroch sie ins Unterholz.
In ihrem Kopf jagten sich die Gedanken, um eine Lösung zu finden: Sie verlor viel Blut und Kraft, sie würde niemals fliehen können! Das Mädchen führte die Hand an den Hals und erinnerte sich, dass ihr Anhänger im Gras liegen geblieben war. Sie stieß einen verzweifelten Schrei aus.
Tränen strömten ihr übers Gesicht. Sie fühlte sich verloren. Eine letzte Aufwallung von Energie rief sie zur Ordnung: Sie gestand sich nicht das Recht zu, einfach aufzugeben – das konnte sie nicht tun! Die Schmerzen wurden immer stärker; es gelang ihr kaum noch zu atmen. Mit zusammengebissenen Zähnen lehnte sie sich an einen Baum. Nach einer Sekunde des Nachdenkens holte sie tief Luft, brach die Befiederung des
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