Die Rebellin von Leiland 2: Das Gift des Herzogs (German Edition)
und darüber, dass sie gerade von ihm kam, gerührt. Mit geröteten Wangen half sie ihm, seinen Arm zu verbinden. Dann begleitete sie ihn zum Wasserfall und stützte ihn dabei.
Obwohl Andin die Zeit, die er mit dem Ungeheuer verbracht hatte, wie eine Ewigkeit vorgekommen war, war es in Wirklichkeit anders. Es waren noch nicht alle wieder zum Fuß des Großen Baums gelangt, und so kam es, dass hinter Andin und Ophelia ein seltsames, kleines Mädchen heraneilte. Jenseits der Eichen und Feldulmen wurde ihr Name mehrfach gerufen, ohne dass die Person es wagte, aus dem Schutz der Blätter hervorzutreten.
» Chloe, komm zurück! Chloe!«, rief die Stimme erschrocken.
Das Kind antwortete nicht, sondern setzte seinen Lauf fort. Die Anwesenheit des Unbekannten im Verbotenen Wald ließ die Kleine jedoch abrupt stehen bleiben.
Sie musste etwa fünf Jahre alt sein und war klein und zierlich. Wie ein Traum schien sie vorbeizuhuschen. Ihre kurz geschnittenen, lockigen Haare, die teils weißblond, teils rot waren, erschienen wie ein kupferfarbener Heiligenschein. Die baumwollbleiche Haut war kaum von ihrem leichten, weißen Kleid zu unterscheiden. Sie war wild und barfüßig und wirkte genauso leicht und frei wie der Wind: ein Engel. Andin hatte auf seinen Reisen noch niemals eine Scylin gesehen: Das erste kleine Mädchen, das er nun sah, war zwar zur Hälfte Akalerin, entzückte ihn aber.
Ihre großen, goldenen Augen verschlangen sein Gesicht mit Blicken, aber obwohl sie auf Andin gerichtet waren, sahen sie ihn nicht wirklich an. Sie schienen durch ihn hindurchzusehen, im Strudel eines Gedankens gefangen. Andin war von dieser Erscheinung wie gebannt. Eine bezaubernde Macht ging von diesem zerbrechlichen Wesen aus. Eine Macht, die ganz anders war als das Entsetzen, das man in der Nähe von Muht und seinen Mannen verspürte.
Sie rührte sich noch immer nicht.
» Sein Blut fließt dahin, sein Körper leert sich«, brachte sie leise hervor, als ob sie diese Bilder vor sich sehen würde. » Sten enteilt. Nein!«
Schreiend wandte sie den Kopf ab; ihr Geist war nicht mehr mit dem Unbekannten befasst. In ihrer Unschuld spürte sie auf ihre Weise, dass der Tod im Großen Baum an Boden gewann. Sie eilte weiter über den grasbewachsenen Hang.
Andin folgte ihr einige Schritte, und die Wurzeln des riesenhaften Baums wurden sichtbar. Mehrere Personen standen neben den hölzernen Behausungen. Er sah, wie der akalische Zwerg Chloe unten einfing und mit ihr davonging.
Bis jetzt hatte Andin den Grund für sein Eindringen in den Verbotenen Wald vergessen. Wie war es um die Gesundheit des Riesen bestellt? Lag Sten etwa im Sterben, wie das seltsame kleine Mädchen es zu sagen schien? Zur einzigen Antwort ertönte aus dem Baum das Geschrei eines Neugeborenen. Andin wandte sich überrascht Ophelia zu. Diese hatte abermals gerötete Augen und starrte ins Leere.
» Vor drei Jahren sind Soldaten nach Waldsaum gekommen, um Männer anzuwerben. Mein Vater wollte nicht fort und hat dafür mit dem Leben bezahlt. Meine Mutter ist ihm in den Tod gefolgt, als sie Maja zur Welt gebracht hat.«
Tränen strömten ihr erneut über die Wangen.
» Das Leben gibt auf der einen Seite, was es auf der anderen nimmt. Estelle ist niedergekommen. Vic wird Sten nicht retten.«
» Nein! Das ist nichts als ein dummer, ländlicher Aberglaube! Gibt es denn niemanden, der ihm helfen kann? Versteht sich denn außer Victoria niemand von Euch auf die Heilkunde?«
Ophelias verneinende Gebärden und ihre Tränen empörten ihn. Er zog Nis mit, um zum Großen Baum zu gehen.
» Oh doch, es gibt mich!«, rühmte sich eine nur allzu bekannte Stimme hinter ihnen.
Nis nahm vor Schreck fast Reißaus, Ophelia zuckte zusammen, weil sie dies alles noch nicht gewohnt war, und Andin erstarrte. Das Chimärenwesen mit den spitzen Hörnern und verkrümmten Pfoten stand reglos ganz dicht hinter ihnen. Es trug Andins Gepäck.
» Kannst du dich um meine Stute kümmern?«, fragte Andin Ophelia leise.
Es war ihm lieber, mit dem Ungeheuer allein zu sein. Die junge Frau verstand, was er von ihr erwartete, und entfernte sich ohne ein weiteres Wort. Joran hatte schon immer großen Eindruck auf sie gemacht, seit sie ihn in dieser Gestalt kennen gelernt hatte.
» Estelle kennt sich auch ein wenig mit der Heilkunde aus, aber in ihrem Zustand kann ihr das wenig nützen«, grinste Joran.
Andin musterte ihn mit angeekelter Miene. Wie kann er in einem solchen Augenblick lachen?
» Ich weiß, was
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