Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
dass sie auch noch da waren und keiner der Ausreißer aus dem Verbotenen Wald getötet worden war.
Unter ihrer wieder herabgezogenen Kapuze spürte Prinzessin Eline, wie sich ihr Herz jedes Mal zusammenkrampfte, wenn sie Flecken auf den Pflastersteinen des Hofs bemerkte. Das Blut war frisch und wies ihren Schritten den Weg. Auf der großen Wendeltreppe tropfte es sogar noch von manchen Stufen.
Sie sagte sich immer wieder, dass alles nur Mummenschanz war. Aber in ihrem Innern stieg wie bei den anderen Frauen Furcht auf. Ihre Brust zog sich noch mehr zusammen, als der Ehrenhof in Sicht kam. Enthauptete Körper waren an der Fassade aufgehängt und Köpfe lagen auf dem Boden verstreut wie die Kugeln eines Boulespiels. Eline biss sich auf die Lippen, um ihren Brechreiz zu unterdrücken, und versuchte, die Namen zu vergessen, die sie mit jedem im Tode verzerrten Gesicht verband.
Der Führer sagte nichts mehr; sein Schweigen lag nicht in Erstaunen, sondern in Angst begründet. Es bereitete ihm Mühe, angesichts dieses Anblicks noch weiter zu schauspielern.
Eline fühlte sich trotz all ihrer Leibwächter allein und verletzlich. Niemand hielt ihr die Hand oder tröstete sie. Andin war fort, Cedric war noch immer nicht bei ihr. Wo war ihr Prinz? Ihre Augen waren zu tränenfeucht, als dass sie die gelbäugige Schwalbe bemerkt hätte, die auf einem Wasserspeier der Außentreppe saß, die zur Hauptgalerie emporführte. Die Prinzessin betrat den großen Gang, ohne die Bewegungen des Vogels zu bemerken und ohne zu wissen, dass Cedric im selben Augenblick ein Stück unter ihren Füßen entlanglief. Würde er bis zu ihr vordringen?
Cedric fragte sich dasselbe, während er über Stalagmiten und Wasserlachen sprang. In diesem Gang reihte sich eine sonderbare Vorrichtung an die nächste, ohne dass ein Ende abzusehen war. Die folgende Grotte war ein Spiegelbild der vorherigen. Der junge Prinz hatte den Eindruck, dass der Weg nirgendwohin führte.
Der letzte Mechanismus ließ die drei Nachzügler am Ufer eines großen, unterirdischen Sees herauskommen. Sie eilten daran entlang, ohne sich über diese leichte Veränderung der Umgebung Gedanken zu machen, als plötzlich das Wasser erzitterte, um dann laut zu grollen.
»Eine Amalyse!«, erkannte Elea entsetzt.
Die Mörderpflanze erhob sich schon aus dem See, gewaltig und schwärzer als die Dunkelheit.
»Cedric, nimm Elea mit– und dann lauft!«, reagierte Andin sofort und wandte sich der Kreatur zu.
»Nein! Das ist Wahnsinn!«, schrie die junge Frau und wehrte sich gegen die Arme, die sie mitzogen.
Die Amalysenwelle reichte bis an die Decke und stürzte sich bereits auf Andin. Er sah sich nach der verängstigten Elea um.
»Man darf keine Angst haben, das hast du mir doch selbst beigebracht. Geh, ich komme nach.«
Andins Selbstsicherheit machte Elea für einen Augenblick sprachlos. Am Handgelenk des jungen Mannes leuchtete die Amalyse in reinstem Weiß. Elea ließ sich mitziehen, konnte den Blick aber nicht abwenden.
»Ich liebe dich!«, sagte sie im selben Moment, als sie zusammenzuckte, weil die schwarze Amalyse über Andin hereinbrach.
Er streckte den Arm zu der Mörderpflanze aus und so, als hätte er Elea gehört, murmelte er: »Ich dich auch.«
Unwillkürlich hatten Cedric und Elea ihren Lauf verlangsamt. Die junge Frau konnte nicht mehr atmen: Ihr Leben hing in der Schwebe. Sie trat auf den ersten Stufen, die sie erreicht hatten, von einem Fuß auf den anderen. Cedric hielt ebenfalls die Luft an, als er sah, wie das gallertartige Wesen Hand und Handgelenk seines Bruders umhüllte. Würde es Andin völlig in sich aufnehmen? Er konnte nicht fliehen.
Das Vorrücken der Mörderpflanze war zum Stillstand gekommen. Ein Lichtpunkt durchdrang sie Stück für Stück. Dann ging alles sehr schnell. Ein weißes Aufblitzen durchlief die gesamte Amalyse. Sie schien auf Andins Handgelenk zu schmelzen. Elea weinte beinahe vor Freude. Sie war endlich bereit, Cedric und der Opaline zu folgen.
Andin wartete einfach ab, bis die wilde Amalyse vollständig im brackigen Wasser verschwunden war, bevor er am Ufer des unterirdischen Sees entlang und dann die Treppe hinauflief. Die Liebe verlieh ihm die Flügel, die er benötigte, um Elea einzuholen und in ihrem Kuss Atem zu schöpfen. Sie hielten sich aber nicht lange auf: Über ihnen führten die Stufen im kraftvollen Licht der Opaline weiter. Sie fühlten sich noch stark, da sie vereint waren, und ihre Zuversicht färbte auf Cedric ab. Der
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